Solingen Schadstoffe: Grundschul-Eltern beunruhigt

Solingen · In der Grundschule Westersburg hat die Stadt wegen leicht erhöhter Anteile eines giftigen Holzschutzmittels in der Raumluft erste Maßnahmen ergriffen. Einigen Eltern reicht das aber noch nicht.

Da konnten sich die Referenten noch so sehr um eine nüchterne Einordnung der Messergebnisse bemühen - die Ängste vieler Eltern vermochten sie dadurch kaum zu zerstreuen. "Es gibt doch gar keine klaren Grenzwerte für Kinder", wandte ein Vater stellvertretend für einige andere Zuhörer in der Sporthalle der Grundschule Westersburg ein. Dorthin hatten Stadt und Schulleitung am Montagabend zu einer Informationsveranstaltung eingeladen, um über die Schadstoffuntersuchungen im über 40 Jahre alten Gebäude an der Bausmühlenstraße in Wald zu berichten.

Neben Schuldezernentin Dagmar Becker saßen auch Stadtdienstleiter Udo Depping und TÜV-Experte Matthias Friedel auf dem Podium. Letzteren hatte die Stadt nach Berichten über unangenehme Gerüche in der Schule und Unwohlsein bei Personal und Schülern zu Rate gezogen, um die Räume auf Schimmelpilze zu untersuchen.

Zumindest in diesem Punkt konnte der Kölner Architekt Entwarnung geben. "Hier konnten wir keine relevante Belastung nachweisen", sagte Friedel. Dafür wandte sich der Gutachter bei seiner Raumluftmessung dem früher als Holzschutzmittel verwendeten Stoff Pentachlorphenol (PCP) zu. Der wird inzwischen als gesundheitsschädlich eingestuft und soll unter anderem für Symptome wie Übelkeit, Kopfschmerzen und Erschöpfung sowie ein erhöhtes Krebsrisiko verantwortlich sein.

Seine Konzentration habe in einem von vier überprüften Räumen - der Schulbibliothek - den Grenzwert einer Bundesverordnung minimal überschritten, erklärte Friedel und betonte zugleich: "Das war allerdings auch eine Worst-Case-Messung in einem Raum, in dem seit mehr als acht Stunden nicht gelüftet wurde."

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Foto: AP

Ab einem Wert von 0,1 Mikrogramm pro Kubikmeter Raumluft regelt eine Richtlinie erste Schutzmaßnahmen wie das regelmäßige gezielte Lüften oder eine verstärkte Reinigung der Räume. "Schon dadurch würden sich die Werte wohl kurzfristig verbessern", sagte Friedel.

In der Schulbibliothek der Grundschule Westersburg hatte er einen Wert von 0,11 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen. Eine Schließung und bauliche Sanierung komme erst ab der zehnfachen Dosis in Betracht, erklärte der Experte, der in den nächsten Wochen und Monaten weitere Messungen vornehmen und auch andere Gebäudeteile auf mögliche Altlasten untersuchen will. Die Schulbibliothek der Walder Grundschule ließ die Stadt inzwischen jedenfalls aus Sicherheitsgründen schließen. Teppichböden sollen ebenso entfernt werden wie Polstermöbel. Zudem wird die Stadt ein Labor beauftragen, Schüler und Lehrer auf mögliche gesundheitliche Folgen der Schadstoffbelastung zu untersuchen.

Forderung nach Abriss der Schule

Einigen Zuhörern des Infoabends ging all das jedoch nicht weit genug: Sie brachten sogar den Abriss der Schule ins Gespräch. "Machen Sie grüne Politik!", rief eine Frau der grünen Beigeordneten Dagmar Becker zu. Die nahm ihrem Gegenüber allerdings rasch den Wind aus den Segeln: "Wir haben an Solinger Schulen einen Sanierungsstau in Höhe von 60 Millionen Euro und tun, was wir können", sagte sie. Man könne nicht einfach jede Schule abreißen, ergänzte Matthias Friedel und wiegelte ab: "Sie können mich in jedes ältere Gebäude schicken - ich werde auf jeden Fall irgendetwas finden."

"Wir sind", sagte Schulpflegschaftsvorsitzender Jürgen Albert unserer Redaktion, "mit großen Befürchtungen zu der Informationsveranstaltung gegangen". Diese konnten an dem Gesprächsabend bei ihm offensichtlich zu einem Großteil ausgeräumt werden. Jürgen Albert bescheinigte der Stadt die ernsthafte Absicht, schnell aktiv zu werden.

"Wir sehen, dass etwas passiert", sagte er. Die Stadt habe transparent informiert. Dass an dem Abend die Verantwortlichen Rede und Antwort gestanden haben, bezeichnete er als ein "gutes Signal". Der Schulpflegschaftsvorsitzende ist "sehr zuversichtlich", dass die angekündigten Maßnahmen umgesetzt werden. Gleichwohl kündigte er an, dass die Eltern darauf achten werden.

Für Schulleiterin Birgit Weise sind indes alle Befürchtungen keineswegs ausgeräumt, auch wenn die Stadt transparent informiert habe. "Es beruhigt uns nicht." Die Ursache des Problems sei nicht aus der Welt geschafft, betonte sie im Gespräch mit Blick auf den Anbau mit der Schulbibliothek aus den 1970er Jahren, der für den Offenen Ganztag der Grundschule Westersburg genutzt wird. Solange das alte Gebäude bestehen bleibt, solange bleiben nach ihren Worten auch die Sorgen, obwohl nun alles getan werde. Weise: "Dieses Dilemma macht uns zu schaffen."

(RP)
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