Solingen Museumsleiter und Hausmeister zugleich

Solingen · Heike und Andreas Müller kümmern sich als neue Kustoden um den Balkhauser Kotten.

Gerade einmal ein paar Tage im Kotten und die kleine Rachel kennt sich nicht nur prima aus, sondern hilft gleich. Die Schublade mit den Zöppken wird sofort aufgezogen, das ausgesuchte Küchenmesser nebst Karte in die Hülle geschoben - und abkassiert wird auch gleich. Die Achtjährige ist die Tochter von Heike und Andreas Müller, dem neuen Kustodenpaar im Balkhauser Kotten. Nun ist die fünfköpfige Familie in das historische Schleifermuseum eingezogen. Morgen ist offizielle Schlüsselübergabe.

Den Kotten kennt Andreas Müller seit 50 Jahren. "Als Knirps schon bin ich mit meinem Großvater hier gewesen." Und die Faszination für den Kotten begleitet den 56-Jährigen sein Leben lang. "Als unsere Vorgänger aus persönlichen Gründen aufhören mussten, haben wir lange überlegt, ob wir das übernehmen sollen", sagt Andreas Müller, der selbstredend Mitglied des Vereins ist, der Kotten und Museum betreibt. "Mit einer großen Familie muss das alles genau organisiert werden." Besonders die Frage: Wie kommen die Kinder in die Schule ? Am Balkhauser Kotten fährt nur zweimal werktags ein Bus vorbei. Aber mit Hilfe der Schulbehörde und des Schulbusses wurde das Problem gelöst. "Damit waren die größten Bedenken aus der Welt geschaffen." Müller freut sich über seine neue Aufgabe. "In diesem Kotten steckt mein Herzblut. Ich liebe diese Landschaft und die Wupper - ich bin eben ein oller Solinger."

Der Blick durch die Kottentür geht auf die sonnenüberflutete Wiese hin zur vorbei rauschenden Wupper - und wer genau hinhört, kann das Wasserrad auf der anderen Seite des Gebäudes arbeiten hören. Je nach Wasserstand pflügen die 32 jeweils 1,20 Meter breiten Schaufelblätter des vier Meter hohen Rades sechs Mal in der Minute durch das antreibende Wasser.

Die Schleifsteine laufen. Schleifer Udo Marenski arbeitet hier und führt sein Handwerk vor. 70 Schleifplätze gab es zu besten Zeiten des 19. Jahrhunderts im einstigen Doppelkotten. Das Vordergebäude fiel dem Straßenbau zum Opfer. Um 1600 stand an dieser Stelle ein Kotten. 106 gab es - 26 alleine an der Wupper. Sie waren das Rückgrat der Industrie, die Solingen den Namen Klingenstadt einbrachte.

Von der Arbeit rund ums Schleifen und um den Kotten erzählt die Ausstellung im Museum - oder Andreas Müller bei seinen Führungen. Als Kustos ist er gleichzeitig Museumsleiter und Hausmeister. "Ich halte den Graben in Ordnung, schaue nach, ob nicht wieder eine Straßenabsperrung hereingetrieben ist, kümmere mich um alle technischen Arbeiten rund um das Rad und die Schleiferei." Und wenn das Museum um 17 Uhr schließt, steht das Saubermachen an. Am freien Montag wird zumeist auch fürs Museum eingekauft. Viel Arbeit. "Aber es macht riesigen Spaß. Wir sind schon eine Woche vor dem Einzug hier gewesen, um uns richtig zurechtzufinden." Der Umzugstag selbst ging glatt über die Bühne. Zwischen 9 Uhr und Mittag war er über die Bühne. "Zur Begrüßung stand Punkt 12 Uhr ein Reisebus mit 50 Besuchern vor dem Kotten", amüsiert sich Müller. Gäste wird er viele haben: "Die jährliche Zahl liegt im fünfstelligen Bereich." Alleine beim letzten Waffeltag waren es rund 800. "Man lernt hier viele Leute kennen und kann neue Freundschaften schließen", weiß der neue Kustos aus eigener Erfahrung.

Ansprechende Fotografien zieren die Kottenküche. Denn Müller ist auch leidenschaftlicher Fotograf. Das Künstlerische liegt halt in der Familie: Andreas Müller ist Enkel des Solinger Malers und Meistermann-Freundes Willy Theissen. So steht schon ein erstes eigenes Projekt im Kotten an: "2018 ist Theissens 30. Todestag. Das will ich zum Anlass nehmen, eine Gedenkausstellung zu zeigen."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort