Solingen Mordprozess um Hanaa S. wird zum Geduldspiel

Solingen · Eigentlich sollten zum gestrigen Prozesstag zwei Zeugen vor der 3. Strafkammer am Wuppertaler Landgericht aussagen.

Weil sich aber speziell die Befragungen von Familienmitgliedern des mutmaßlichen Mordopfers und seines Ehemannes als langwierig herausstellten, beließ es die Kammer bei der Befragung eines Zeugen: Einer der Brüder der im Frühjahr 2015 spurlos verschwundenen Irakerin Hanaa S. sprach über sein Verhältnis zur 35-Jährigen und gab einmal mehr Einblicke in die Ehrvorstellungen der jesidischen Familie. Mit denen sei es nicht vereinbar, als Frau den Ehemann zu verlassen, um mit dem Angehörigen einer anderen Religion zusammenzuleben. Genau das soll die sechsfache Mutter Hanaa S. nach Drohungen und Gewalttätigkeiten in ihrer Ehe getan haben. Ihr Bruder bestritt jedoch, dass sie eine neue Beziehung eingegangen sei und erklärte damit auch die Zeugenaussage des vermeintlichen neuen Lebenspartners für unwahr.

Die vom Richter wiederholt gestellte Frage, welche Konsequenzen das Verlassen des Ehemannes aus Sicht der Familie nach sich zöge, antwortete der Bruder: "Dann müsste sie in die Heimat zu den Eltern geschickt werden."

Der Ex-Ehemann, drei seiner Geschwister und der älteste Sohn der verschwundenen Frau sollen nach Auffassung der Staatsanwaltschaft beschlossen haben, Hanaa S. zu töten. Die Leiche der Frau, die aus ihrem Haus an der Hasselstraße in Solingen entführt worden sein soll, konnten Ermittler bis heute nicht finden.

Auch die Aussagen des Bruders ließen Richter und Verteidiger immer wieder nachhaken. Ausweichend antwortete der junge Mann auf die Frage des Verteidigers, warum er sich gemeinsam in einem Auto mit Angehörigen des Ehemannes an die Fersen seiner Schwester geheftet hatte, um ihren Aufenthaltsort herauszufinden - obwohl er bereits von möglichen Todesdrohungen seines Schwagers gegen Hanaa S. wusste: Er habe wissen wollen, wo sie wohne und wer sie bedrohe.

Vom Tisch ist inzwischen die Beanstandung eines Dolmetschers, dem einer der Angeklagten vorgeworfen hatte, einen Zeugen aus dem Kurdischen falsch zu übersetzen. Ein abermaliger Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Verfahren wird fortgesetzt.

(rdl)
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