Mordprozess Hanaa S. soll ein Martyrium durchlitten haben

Solingen · Im Fall der getöteten Hanaa S. spricht laut Gericht einiges dafür, dass die Frau auch sterben musste, weil sie jesidischen Glaubens war. Außerdem soll ihre Ehe mit einem der Mitangeklagten arrangiert gewesen sein.

Hanaa S. - "Mordprozess ohne Leiche" in Wuppertal
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Hanaa S. - Mordprozess in Wuppertal

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Foto: dpa, bt lof

Sollte die Vermutung der Richter am Landgericht Wuppertal zutreffen, dürfte die mutmaßlich von ihren eigenen Verwandten ermordete Hanaa S., die zuletzt in Solingen gewohnt hatte, über viele Jahre ihres Lebens ein regelrechtes Martyrium durchlitten haben.

Denn nachdem Anwälte der angeklagten Familienmitglieder in dieser Woche eine vorgeblich verletzte Familienehre in Zweifel gezogen hatten, hat die Kammer jetzt durchblicken lassen, dass sie ein solches Tatmotiv durchaus für denkbar hält.

"Viel spricht für ein vorliegendes Ehrmotiv", sagte der Vorsitzende Richter, der zusammen mit seinen Kollegen weitere Beweisanträge vonseiten der Verteidigung ablehnte. Dabei weisen aus Sicht der Kammer gleich eine ganze Reihe von Indizien darauf, dass Hanaa S. sterben musste, weil ihre Familie die eigene Ehre durch das Verhalten der Frau verletzt sah.

Richter: Ehe war von Beginn an nicht freiwillig

So habe der mitangeklagte Ehemann der dreifachen Mutter im Jahr 2014, also in dem Jahr vor dem Verschwinden der 35-Jährigen, ausgesagt, Hanaa S. schade der Familienehre. Zuvor war die Frau zusammen mit ihrer jüngsten Tochter von zuhause ausgezogen und hatte in einem Frauenhaus Schutz gesucht. Des Weiteren führte das Gericht aber auch Aussagen der später Ermordeten an, die Zeugen gegenüber mehrfach geäußert hatte, Angst vor ihrem Mann zu haben, der sie tatsächlich oftmals körperlich misshandelt haben soll.

Nach Einschätzung der Richter war die Ehe der Frau von Beginn an nicht freiwillig. Einiges spreche für eine "arrangierte" Heirat der damals minderjährigen Hanaa S., betonte der Vorsitzende Richter, der zudem unterstrich, die Kammer vermöge der Behauptung der Verteidiger, der Mord habe nichts mit dem jesidischen Glauben der Angeklagten zu tun, kaum zu folgen.

Die Anwälte der Angeklagten hatten zuvor einen Streit um Goldschmuck als mögliches Motiv genannt. Hanaa S. war im April 2015 in Solingen verschwunden, ihre Leiche wurde im Sommer 2017 in Süddeutschland gefunden. Angeklagt sind fünf Verwandte der Frau, drunter der Ehemann und ihr ältester Sohn.

(dpa / or)
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