Solingen Lutherkirche wird geschlossen

Solingen · In Solingen wird die erste Kirche geschlossen, weil das Gotteshaus nicht mehr zu finanzieren ist. Zum 1. Juni 2013 soll die evangelische Lutherkirche außer Betrieb genommen werden. Donnerstag ist Gemeindeversammlung.

Was bei der Lutherkirche an der Kölner Straße auf dem Spiel steht, verhehlt Superintendent Klaus Riesenbeck nicht: "Das ist die größte und zugleich die Stadtbild-prägendste Kirche Solingens." Und es die erste Kirche der Klingenstadt, die geschlossen werden soll, weil der Gemeinde angesichts eines Sanierungsbedarfs von über zwei Millionen Euro und jährlicher Unterhaltungskosten von rund 100 000 Euro der finanzielle Kollaps droht.

Am 26. Mai 2013 soll der letzte Gottesdienst in der Lutherkirche gefeiert werden; zum ersten Juni in gut eineinhalb Jahren wird sie dann außer Betrieb genommen. Dies hat der Bevollmächtigen-Ausschuss (BVA), das gegenwärtige Interims-Leitungsgremium der evangelischen Gemeinde, beschlossen. Übermorgen wird die Gemeinde darüber informiert. "Das wird eine spannende Versammlung", erwartet Riesenbeck. Er will keine Prognose abgeben, ob der schwerwiegende Schließungsbeschluss zu einer Protestwelle führen könnte. Riesenbeck setzt aber auf Verständnis angesichts der finanziellen Situation der Lutherkirchen-Gemeinde.

In den vergangenen 40 Jahren hat sich die Zahl der Gemeindemitglieder von 14 000 auf 7000 Mitglieder halbiert. Drei der vier Kindergärten wurden schon geschlossen, drei von fünf Gemeindehäusern sind dichtgemacht worden, eineinhalb Pfarrstellen wurden wegrationalisiert sowie dreieinhalb Stellen in der Gemeindearbeit eingespart. Im Jugendbereich bescheinigt eine Arbeitsgruppe der Gemeinde, inzwischen sogar ihrer Verpflichtung schon nicht mehr nachzukommen.

Trotz des Mammutsparprogramms läuft die Gemeinde nach Riesenbecks Worten ab 2013 erneut auf ein Defizit im Finanzhaushalt zu. Es könnte, so die Prognose, in fünf Jahren wieder auf fast 100 000 Euro angewachsen sein.

"Wir haben uns die Entscheidung nicht leichtgemacht" — schweren Herzens haben der Superintendent (zugleich Pfarrer in der Lutherkirche), aber auch Pfarrer Christian Menge, Kurt Kosler, stellvertretender Vorsitzender des BVA, sowie Marie-Luise Hasler und Horst Ulrich Kremer vom "Kernteam Lutherkirche" gestern vor der Presse die finanzielle Notbremse verkündet.

Vergeblich hatte das eigens gebildete "Kernteam Lutherkirche" während einer über einjährigen Prüfung nach alternativen Nutzungsmöglichkeiten gesucht. Wegen der Konzerte, die ohnehin in der Kirche mit 850 Plätzen stattfinden, ist dabei zunächst die Option eines Kunst- und Kulturhauses geprüft worden. Dies funktioniere aber nicht. "Es bleibt ein Zuschussgeschäft", erklärt Marie-Luise Hasler. Auch die Ideen, eine Suppenküche für Bedürftige oder Gemeindeeinrichtungen in der Kirche unterzubringen, haben sich als untauglich erwiesen. Sogar ein Kolumbarium für Bestattungsurnen in der Lutherkirche hatte man geprüft. Doch auch dies, so das Ergebnis, sei wegen der finanziellen Risiken nicht zu verantworten.

Der Synode des evangelischen Kirchenkreises im November wird über die Schließung der Kirche an der Kölner Straße diskutieren. Theoretisch könnten die Synodalen eine Finanzspritze für die Sanierung der Kirche beschließen. So, wie das bereits Anfang der 90er Jahre passiert ist. Damals wurden 1,5 Millionen Euro für die Instandsetzung zur Verfügung gestellt.

Erwartet wird das diesmal allerdings nicht noch einmal. Denn das Geld des Lutherkirchen-Rettungschirms müsste den übrigen Gemeinden des Solinger Kirchenkreises abgezweigt werden. Die aber brauchen jeden Cent selbst. Riesenbeck: "Die finanzielle Situation in den Kirchengemeinden ist heute eine völlig andere als vor 20 Jahren."

Hansjörg Schweikhart, Vorsitzender des Lutherkirchen-Bauvereins, sieht die Schließungs-Entscheidung kritisch. "Es ist fraglich, ob ein Bevollmächtigen-Ausschuss überhaupt so einen schwerwiegenden Beschluss fassen kann." Nach Schweikharts Worten hat dieser nämlich in erster Linie dafür zu sorgen, ein neues Presbyterium wählen zu lassen. Ein solches Leitungsgremium fehlt in der Gemeinde noch immer. Nach dem Rücktritt des Finanzkirchmeisters hatte sich keiner für den ehrenamtlichen Posten gefunden. Das Presbyterium musste aufgelöst werden.

Schweikhart sieht allemal eine Chance, die Lutherkirche erhalten zu können. Die finanzielle Lage der Gemeinde sei derzeit gut. Sein Fazit: Der Schließungsbeschluss sei viel zu voreilig.

(RP/rl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort