Solingen Im Stadtarchiv: die moderne Frau von einst

Solingen · Die Ausstellung "Frauen ´68 - Zeitreise zwischen Revolte und Provinz" wurde gestern eröffnet.

Manch einen Betrachter überkam beim Studium der Texte ein Schmunzeln: Denn die Formulierungen in den nunmehr 50 Jahre alten Zeitungsbeiträgen entfalten mit dem Blick zurück ihren ganz besonderen Charme: "Es liegt in der Mentalität der Frau, sich zu schmücken und zu putzen", ist da im Porträt von Goldschmiedemeisterin Ingrid Winkelmann zu lesen.

"Frauen ´68" heißt die Ausstellung, die seit gestern im Treppenhaus des Stadtarchivs zu bewundern ist.

Für die haben Ralf Rogge, Leiter der Einrichtung, und seine Stellvertreterin Kerstin Warncke Artikel aus dem Solinger Lokalteil der Rheinischen Post zusammengetragen, in denen Redaktionssekretärin Rosemarie Ney und Fotograf Hans Halft Frauen in "besonderen Berufen" vorstellten - und damit ein faszinierendes zeitgeschichtliches Dokument schufen. "Das ist schon irre aus heutiger Sicht", kommentierte Besucherin Monika Anton (68) die Beiträge, in denen etwa eine junge Dekorateurin als "Fräulein Elke" oder die freundliche Briefträgerin scherzhaft als "Christel von der Post" bezeichnet wird: "Man erkennt, welch andere Position die Frau damals hatte." Informationstexte über die Entwicklung weiblicher Berufstätigkeit ab dem Jahr 1900 stellen die Frauenporträts ebenso in den historischen Kontext wie die Schlagzeilen auf der jeweiligen überregionalen Titelseite: Die offenbaren den Gegensatz zwischen den kleinen gesellschaftlichen Fortschritten in der "Provinz" und den großen weltpolitischen Umbrüchen im März und April 1968, von revoltierenden Studenten bis zum Prager Frühling.

Am gestrigen Tag der Archive unter dem Motto "Demokratie und Bürgerrechte" gewannen die Besucher im Rahmen mehrerer Führungen in den sonst geschlossenen Magazinen Einblicke in die Schätze des Hauses - diesmal vor allem zum Themenkomplex Frau und Beruf: Sie schüttelten den Kopf über das "Lehrerinnenzölibat", dass Ehe und Berufsausübung bis in die 1950er Jahre hinein unvereinbar machte - und sie amüsierten sich über den Konflikt in der Frage, ob Frauen in kaufmännischen Tätigkeiten nun als "Kauffrauen" oder "Kaufmänner" zu bezeichnen seien.

Zumindest eine der 1968 von der RP porträtierten Frauen hatte für den Tag der offenen Tür auch ihren Besuch angekündigt: Galvaniseurin Ursula Steinwasser war auf die Ausstellung aufmerksam geworden. "Ich bin gespannt, ob sich noch mehr Frauen aus den Artikeln melden", sagte Ralf Rogge, und Kerstin Warncke frohlockte: "Das Beste ist natürlich, eine Zeitzeugin hier zu haben."

Doch auch die Besucher ohne persönlichen Bezug zu den Porträtierten verbanden mit dem Thema ihre eigenen Erfahrungen: "Wir waren neugierig zu sehen, wie sich die Sichtweisen verändert haben", sagte Claudia Rübenach (64), während sie mit Ehemann Helmut (69), die RP-Artikel durchforstete. "Meine Mutter war Hausfrau, aber meine Schwester und ich haben studiert", verriet sie mit Blick auf das eigene Berufsleben.

(RP)
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