Solingen Gratis-ÖPNV ist für Solingen unbezahlbar

Solingen · Der Vorstoß des Bundes für kostenfreien ÖPNV würde 30 Millionen Euro kosten. Die Stadt reagiert zurückhaltend.

 Am Busbahnhof am Graf-Wilhelm-Platz in Mitte hängen unter anderem Tafeln, auf denen die Fahrziele und Preise aufgelistet sind. Würde der Gratis-ÖPNV Wirklichkeit, könnten die Ticket-Preise gestrichen werden.

Am Busbahnhof am Graf-Wilhelm-Platz in Mitte hängen unter anderem Tafeln, auf denen die Fahrziele und Preise aufgelistet sind. Würde der Gratis-ÖPNV Wirklichkeit, könnten die Ticket-Preise gestrichen werden.

Foto: Radtke

Vielleicht wäre es ja die Lösung für alle Verkehrsprobleme in der Klingenstadt - Busse, in die die Kunden einfach einsteigen dürfen, ohne einen Cent zu bezahlen. Geht es jedenfalls nach Bundeskanzlerin Angela Merkel, könnte die Vision eines Öffentlichen Personennahverkehrs zum Nulltarif in Zukunft tatsächlich irgendwann einmal Wirklichkeit werden. Doch im Solinger Rathaus wird dieser jüngste Vorstoß aus Berlin zunächst eher zurückhaltend bewertet.

Zwar bezeichnete Kämmerer Ralf Weeke die Idee gestern in einer ersten Reaktion als durchaus interessant. "Gerade was die ökologischen Aspekte angeht, wird so eine wichtige gesellschaftliche Diskussion angestoßen", sagte der oberste Wächter über die städtischen Finanzen auf Anfrage unserer Redaktion. Allerdings hört Weekes Euphorie damit auch schon wieder auf. Denn für die Stadt beziehungsweise die Stadtwerke wäre ein solches Gratis-Modell in den Bussen schlicht unbezahlbar.

Dabei ist die Rechnung, die der Kämmerer aufmacht, recht einfach. "Zunächst fielen die jährlichen Umsatzerlöse von rund 20 Millionen Euro weg, die die Stadtwerke mit dem Verkauf von Fahrkarten machen", betonte Ralf Weeke. Und darüber hinaus kämen, vorsichtig geschätzt, weitere sieben bis acht Millionen Euro hinzu, die angesichts des zu erwartenden Anstieges der Fahrgastzahlen in zusätzliche Busse sowie Busfahrer investiert werden müssten.

In der Summe kämen so schnell knapp 30 Millionen Euro zusammen, die weder vom Rathaus oder von den Stadtwerken aufgebracht werden könnten. "Das müsste der Bund schon zu 100 Prozent übernehmen", stellte der Kämmerer klar. Dieser verwies zudem darauf, solche Mehraufwendungen aus der Stadtkasse seien allein wegen der notwendigen Haushaltsgenehmigung durch die Bezirksregierung "vollkommen unfinanzierbar".

Tatsächlich rechnen Experten damit, dass ein Umsonst-ÖPNV deutlich mehr Menschen als heute zum Umstieg vom Privatauto auf Busse und Bahnen bewegen würde. Beispielsweise kann sich Conrad Troullier, Geschäftsführer der Sparte Verkehr bei den Solinger Stadtwerken, vorstellen, dass die Zahlen um 20 Prozent steigen. Gleichwohl sehe auch er noch etliche Hürden, die zuvor genommen werden müssten, betonte Troullier am Donnerstag unter Verweis auf erforderliche Investitionen.

In Teilen der Politik wird die Idee eines Personennahverkehrs zum Nulltarif begrüßt. Die Linke forderte gestern eine "Verkehrswende auch in Solingen". Die Stadt solle sich im Rahmen des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr für die Beteiligung an einem Modellversuch einsetzen, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Linkspartei, Erik Pieck. Die Grünen verwiesen hingegen darauf, zunächst müsse der Bund für eine Kostendeckung sorgen. "Mehr Fördermittel sind ohnehin längst überfällig, um das Klima zu schützen und die Gesundheit der Bürger zu erhalten", erklärten Fraktionssprecherin Martina Zsack-Möllmann und der verkehrspolitische Sprecher Dietmar Gaida.

(or)
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