Solingen Gedächtnislücken in Ordnungsamt-Prozess

Solingen · Seit gestern läuft vor dem Amtsgericht das Verfahren gegen einen suspendierten Abteilungsleiter der Stadt. Unter anderem geht es um Untreue und Beihilfe zum betrügerischen Konkurs. Doch manche Zeugen widersprechen sich.

Die Nachricht hatte im August 2016 auf den Fluren des Solinger Rathauses wie eine Bombe eingeschlagen. Seinerzeit war ein heute 64 Jahre alter leitender Beamter des Ordnungsamtes vom Dienst suspendiert worden, nachdem unter anderem der Verdacht aufgekommen war, der Mann könnte bei der Durchführung von zuvor durch die Stadt genehmigten Trödelmärkten in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.

Rund eineinhalb Jahre sind inzwischen seit jenen Spätsommertagen des Jahres 2016 vergangen. Noch immer ist der 64-Jährige, der alle Anschuldigungen bestreitet, vom Dienst freigestellt - wobei sich der Beamte seit gestern nun vor dem Amtsgericht Solingen zu verantworten hat.

So wirft die Staatsanwaltschaft dem Mann etwa vor, bis vor zwei Jahren die besagten Flohmärkte an der Gasstraße organisiert und dabei ausgerechnet aus dem Gebäude des Stadtdienstes Ordnung Strom abgezweigt zu haben. Weiter soll der suspendierte Abteilungsleiter aber auch einem Bekannten beim betrügerischen Konkurs von dessen Security-Firma geholfen und überdies unerlaubt einen städtischen Gebührenbescheid für eine Gewerbegenehmigung kleingerechnet haben.

Dabei wurde bereits am ersten Prozesstag deutlich, dass auf den zuständigen Einzelrichter am Amtsgericht in Sachen Wahrheitsfindung wohl eine ganze Menge Arbeit warten dürfte. Denn einige der Zeugen, die am Dienstag vor dem Gericht auftraten, widersprachen sich zum Teil und offenbarten darüber hinaus die eine oder andere Erinnerungslücke.

Da war beispielsweise der Ex-Chef der Sicherheitsfirma, der als ein langjähriger Bekannter des Angeklagten 2012 einen Kredit über 40.000 Euro von dem Beamten erhalten hatte. Eigentlich wollte sich der Security-Mann mit dem Geld ein zweites geschäftliches Standbein aufbauen. Doch als dies schief ging und die Mittel der Sicherheitsfirma ebenfalls aufgebraucht waren, gründete der Unternehmer kurzerhand eine neue GmbH und übertrug schließlich Anteile dieser Firma, sozusagen als Sicherheit für den Kredit, an den Freund vom Ordnungsamt.

Mit der Folge, dass die sonstigen Gläubiger des Unternehmers leer ausgingen. Was die Staatsanwaltschaft wiederum als einen betrügerischen Konkurs wertet, der ohne die Mithilfe des Angeklagten niemals habe eingefädelt werden können.

Dementsprechend ging es beim gestrigen Prozessauftakt auch darum, was der Beamte von der finanziellen Schieflage seines Bekannten gewusst hatte. Nichts oder nicht so viel, beteuerten die beiden ehemaligen Geschäftspartner, wohingegen die Staatsanwaltschaft diese Einlassungen nicht nachzuvollziehen vermochte.

Denn zum einen brachten der Angeklagte und der mittlerweile wegen Konkursbetrugs zu einer Geldstrafe verurteilte Zeuge die zeitlichen Zusammenhänge öfter durcheinander. Zum anderen kannten sich die zwei Männer aber auch schon aus einer anderen geschäftlichen Beziehung, die ihrerseits mit den schon erwähnten Trödelmärkten zusammenhängt.

Diese liefen, veranstaltet von dem Unternehmer und dessen Familie, seit ungefähr 2008 an der Gasstraße. Dabei soll der Beamte den Organisatoren 2010 zunächst einen Zugang zu einem städtischen Stromanschluss verschafft haben, ohne dass dafür regelmäßig Zahlungen erfolgten, und 2014 sogar als Gesellschafter in die Veranstalterfirma der befreundeten Familie eingestiegen sein.

Tatsächlich ist letztgenannter Punkt unstrittig. Gleichwohl sorgte das Engagement des Angeklagten für die Märkte bereits 2010 im Ordnungsamt für Unruhe. So schilderten jetzt beispielsweise zwei Beamte, sie hätten seinerzeit den damaligen Leiter des Stadtdienstes Ordnung über den Stromanschluss informiert - woran sich dieser als Zeuge allerdings gestern nicht mehr erinnerte.

Da sich somit die genauen Abläufe am Dienstag nicht zweifelsfrei rekonstruieren ließen, sollen nun weitere Zeugen vorgeladen werden. Von diesen verspricht sich das Gericht unter anderem auch mehr Klarheit im dritten Anklagepunkt. In diesem wird dem suspendierten Stadtmitarbeiter vorgeworfen, er habe einen Gebührenbescheid zu einer Gewerbeerlaubnis eigenmächtig nach unten korrigiert und so der Stadt geschadet - wobei die diesbezügliche Akte später verschwunden und bis heute nicht mehr aufgetaucht ist.

Für den Beamten steht eine Menge auf dem Spiel. Würde er rechtskräftig zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr oder mehr verurteilt werden, würde er nämlich seine Pensionsansprüche verlieren.

(or)
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