Blindgänger in Solingen entdeckt Fliegerbombe erfolgreich entschärft

Solingen · Der Kampfmittelräumdienst hat am Donnerstag einen 250-Kilo-Blindgänger entschärft. Die Evakuierung von 1200 Gräfrathern verlief nach Plan. Ein Verkehrschaos blieb aus.

 Gegen 17 Uhr errichtete die Polizei Straßensperren, wie hier an der Wuppertaler Straße. Ein Verkehrschaos blieb allerdings großteils aus.

Gegen 17 Uhr errichtete die Polizei Straßensperren, wie hier an der Wuppertaler Straße. Ein Verkehrschaos blieb allerdings großteils aus.

Foto: Köhlen Stephan

Die Zeiger der Uhr am Turm des Kunstmuseums Solingen standen auf exakt 18.55 Uhr, als plötzlich ein ohrenbetäubender Lärm den historischen Ortskern von Gräfrath sowie angrenzende Wohngebiete erschütterte - und so mancher, der sich in der Nähe der städtischen Sammelstelle im Museum eingefunden hatte, ebenfalls kurz hochschreckte. Doch schon im Gebäude selbst war nichts zu hören. Wenige Minuten später konnte schließlich auch Entwarnung gegeben werden: Der Kampfmittelräumdienst der Bezirksregierung hat gestern Abend in Gräfrath eine britische 250-Kilogramm-Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg unschädlich gemacht.

Dabei hatte sich der nördlichste Solinger Stadtteil in den Stunden zuvor in einem regelrechten Ausnahmezustand befunden. Denn immerhin war der Entschärfung des Blindgängers die größte Evakuierungsaktion vorausgegangen, die es in den zurückliegenden Jahrzehnten in der Klingenstadt gegeben hatte. So mussten insgesamt rund 1200 Gräfrather ihre Wohnungen verlassen. Und zudem waren mehr als 300 Firmen, vornehmlich im Gewerbegebiet Piepersberg, geräumt worden.

Eine logistische Herausforderung der besonderen Art, auf die sich die Stadt Solingen in Zusammenarbeit mit der Polizei sowie der Bezirksregierung über Wochen hinweg akribisch vorbereitet hatte. So waren am Donnerstag ab den Mittagsstunden beispielsweise an die 70 Kräfte unter anderem vom Ordnungsamt im Einsatz, um innerhalb der zuvor festgelegten Sperrzone mit einem Radius von 600 Metern von Haus zu Haus zu gehen und die Menschen zu warnen.

Etwa im Bereich des Abteiwegs und der Straße Heiliger Born nahe dem Klingenmuseum, wo die Ordnungsamtsmitarbeiter Frank Müller und Sascha Karow die Bewohner in persönlichen Gesprächen oder mit in die Briefkästen gesteckten Handzetteln aufforderten, sich in Sicherheit zu bringen. Was allerdings keine große Schwierigkeiten bereitete, hatten die meisten Gräfrather über die Medien doch längst von der bevorstehenden Massen-Evakuierung erfahren.

"Ich werde für die Zeit der Räumung zu meiner Schwester gehen", sagte zum Beispiel Heike Krisam, die am Heiligen Born lebt. Andere Betroffene suchten wiederum Schutz in der erwähnten städtischen Sammelstelle im Kunstmuseum, die sich am Nachmittag zunächst nur zögerlich füllte. So gehörten Christine Ophoff, Hannelore Lemke und Petra Osthus mit zu den ersten Bürgern, die sich gegen 15 Uhr an der Wuppertaler Straße eingefunden hatten. Ganz zufrieden zeigten sich die Damen mit der Informationspolitik aus dem Rathaus aber nicht. "Auf der Stadt-Homepage war nicht viel zu erfahren", kritisierte Christine Ophoff - derweil es ungefähr einen Kilometer Luftlinie entfernt an der Fundstelle allmählich ernst wurde.

Zwar hatte sich im Lauf des Tages bereits herausgestellt, dass anstatt der zunächst drei vermuteten Blindgänger lediglich zwei in einem Feld nahe der Straße Roggenkamp lagen. Und darüber hinaus erwies sich eine der Bomben bei einer genaueren Untersuchung später als derart verrottet, sodass von diesem Überbleibsel aus dem Krieg keinerlei Gefahr mehr ausging. Jene Bombe konnte, ohne eigens entschärft zu werden, aus dem Erdreich entfernt werden.

Gleichwohl hatte es der verbliebene Blindgänger durchaus in sich. Denn zum einen lag die Bombe extrem "schwierig im Boden", wie der Truppführer der mit der Freilegung beauftragten Fachfirma erklärte, der es nach eigenem Bekunden noch nie mit einem solch ungünstig platzierten Blindgänger zu tun gehabt hatte. Und zum zweiten war der Detonator an dem Zünder der Bombe so marode, dass dieser gesondert gesprengt werden musste - was am Ende zu dem lauten Knall führte.

Die Arbeiten verzögerten sich nach Beginn der eigentlichen Entschärfung gegen 18 Uhr dementsprechend ein wenig. Doch um 19 Uhr war alles geschafft, woraufhin die Bombe anschließend zur endgültigen Unschädlichmachung auf ihre letzte Reise in einen Munitionszerlegebetrieb in Hünxe transportiert wurde.

Parallel wurden die seit 17 Uhr bestehenden Straßensperren wieder aufgehoben. In der Zeit der Absperrungen war der Verkehr von der Wuppertaler Straße stadtauswärts über die Schulstraße geleitet worden. Zudem konnten Autos von der Autobahn A 46 nicht in Richtung Gräfrath fahren. Und Fahrgäste in den Bussen der Linien 683 sowie 695 mussten einige Einschränkungen hinnehmen.

Das zunächst befürchtete Chaos auf den Straßen blieb jedoch aus. Bis auf einige wenige Staus waren kaum Auswirkungen der Bombenentschärfung spürbar. Mit dem Abtransport des Blindgängers endete auch die Evakuierungsaktion. Die über 1000 betroffenen Bewohner des Gefahrenbereichs durften unmittelbar nach der Entwarnung zurück in ihre Wohnungen.

Fotos: Oberpriller (6), Köhlen (2), Vetter (2), Stadt Solingen

(or)
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