Michael Wenge Fachkräftemangel in jedem zweiten Betrieb

Solingen · Der Geschäftsführer der IHK im Städtedreieck spricht über die Konjunktur, den Ausbildungsmarkt und die Industrie als Wirtschaftsfaktor.

2017 war für die Unternehmen in Solingen wie im Bergischen kein schlechtes Jahr. Wird 2018 ähnlich erfolgreich ?

Wenge Das können wir nicht vorhersagen. Aus der Herbst-Konjunkturumfrage wissen wir aber, dass die Solinger Unternehmen überwiegend optimistisch sind. Über die aktuelle Umfrage zum Jahreswechsel berichten wir am 1. Februar 2018.

Trifft das auf alle Branchen zu, oder müssen beispielsweise Industriebetriebe mit Abstrichen rechnen ?

Wenge Sämtliche größeren Wirtschaftszweige haben eher positive Geschäftserwartungen. Die Solinger Industrie hat im Jahr 2017 gewisse Umsatzrückgänge zu verkraften gehabt, während sich die Wuppertaler Industrie auf dem Vorjahresniveau gehalten hat und die Remscheider Betriebe zweistellig zugelegt hatten. Für das Jahr 2018 dürften der relativ schwache Euro und die niedrigen Zinsen eher belebend wirken. Die US-Steuerreform wird die Exportchancen zunächst einmal verbessern, was insbesondere für die Schneidwaren- und Besteckindustrie wichtig ist.

In diesem Jahr mussten manche Betriebe schon Aufträge ablehnen, weil sie keine zusätzlichen Fachkräfte einstellen konnten, um die Auftragslage zu bewältigen. Ist der Fachkräftemangel eine Wachstumsbremse ?

Wenge Nach sieben Jahren Konjunkturaufschwung ist auch in unserer Region ein nennenswerter und steigender Fachkräftemangel eingetreten. Hierzu hat auch die Rente mit 63 beigetragen, denn altersbedingt ausscheidende Fachkräfte können nicht adäquat ersetzt werden. Der Fachkräftemangel wirkt sich inzwischen bei jedem zweiten Betrieb als Wachstumsbremse aus. Auch die Umsetzung von Innovationsprozessen kann hierdurch gehemmt werden.

Stichwort Ausbildung. Solingen hat hier gegenüber Remscheid und Wuppertal offenbar Nachholbedarf. Welchen Einfluss hat die IHK, um Firmen zu ermuntern, in Ausbildung zu investieren ?

Wenge Tatsächlich ist der Ausbildungsmarkt in Solingen der schwächste der drei bergischen Großstädte. Wir haben uns insbesondere 2017 auf breiter Basis an die Solinger Unternehmer gewandt, um für ein verstärktes Ausbildungsengagement zu werben. Wir hoffen im kommenden Ausbildungsjahr auf positive Effekte dieser Bemühungen, die wir gemeinsam mit der Stadt Solingen und unseren Partnern aus Arbeitsagentur, Kreishandwerkerschaft und Arbeitgeberverband unternommen haben. Wer dem Fachkräftebedarf begegnen will, der wird dauerhaft nicht daran vorbeikommen, ein attraktives Ausbildungsangebot in seinem Unternehmen anzubieten.

Die Industrie ist in Solingen wie im Bergischen insgesamt immer noch ein dominierender Wirtschaftsfaktor. Was bedeutet das mit Blick auf konjunkturelle Entwicklungen beziehungsweise Anfälligkeiten ?

Wenge Exporterfolge auf den Weltmärkten hängen von offenen Märkten und guten Handelsabkommen sowie einer funktionierenden internationalen Arbeitsteilung ab. Zunehmender Protektionismus und die Abschottung von wichtigen Abnehmermärkten durch neue Handelshemmnisse bewirken das Gegenteil. Während die Brexit-Verhandlungen aktuell in die richtige Richtung zu gehen scheinen, dürfte das US-Geschäft durch steuerliche Maßnahmen, die wie Einfuhrzölle wirken, auf mittlere Sicht erheblich schwieriger werden.

Bessere Autobahnanschlüsse werden Jahr für Jahr von der IHK gefordert. Glauben sie, dass die neue schwarz-gelbe Landesregierung hier mehr erreicht als zuvor Rot-Grün?

Wenge Wir wollen einen besseren Anschluss Solingens an die A 3. Die Unternehmen und die Pendler sind mit der Situation dort weiter sehr unzufrieden. Durch die Blockade-Haltung von Rot-Grün hat es das Projekt aber nicht in den neuen Bundesverkehrswegeplan geschafft - die große Lösung ist daher auf absehbare Zeit eher unwahrscheinlich. Das schließt aber nicht aus, dass wir uns weiter um Verbesserungen bemühen. Ich bin überzeugt davon, dass die jetzige Landesregierung vernünftige Lösungen unterstützen wird. Wichtig wäre aber auch, dass sich die Städte Solingen und Langenfeld auf eine gemeinsame Linie einigen.

In Berlin gibt es immer noch keine neue Bundesregierung. Schadet das der Wirtschaft ?

Wenge Die Wirtschaft ist grundsätzlich an einer stabilen Regierung und verlässlichen Rahmenbedingungen interessiert. Die Wirtschaft kann aber auch mit einer geschäftsführenden oder Minderheits- Regierung leben, solange sie keine neuen Belastungen für die Wirtschaft oder weitere Umverteilungsmaßnahmen auf den Weg bringen.

UWE VETTER FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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