Solingen Ensemble Profan beeindruckt mit Kafka-Stück

Solingen · Die Romane und Erzählungen von Franz Kafka (1883-1924) sind in Handlung und Sprache durchaus verständlich, aber hinter der normalen Fassade verbergen sich Abgründe, die nur schwer zu entschlüsseln sind. Er verstrickt seine Protagonisten in hoffnungslose Situationen, plötzlich schlagen unbekannte Mächte zu, der Mensch ist hilflos in seiner Ausweglosigkeit. In seinem Romanfragment "Der Prozess" wird Josef K. verhaftet, er bekommt keinerlei Informationen, sein vergeblicher Kampf mit einer surrealen Bürokratie wird zum Alptraum. Ähnlich ergeht es dem Landvermesser K. in dem Roman "Das Schloss", der sich vergeblich durch ein undurchschaubares System kämpft. Michael Tesch, künstlerischer Leiter des Ensemble Profan, hat sich mit Kafkas 1912 entstandener Erzählung "Die Verwandlung" beschäftigt, und daraus ein Bühnenstück für seine Truppe entwickelt. Die Premiere am Donnerstagabend auf der Studiobühne des Pina-Bausch-Saals war ausverkauft.

 Profan spielt Kafka: (v.l.) Renate Kemperdick, Uwe Dahlhaus und Markus Henning.

Profan spielt Kafka: (v.l.) Renate Kemperdick, Uwe Dahlhaus und Markus Henning.

Foto: Stephan Köhlen

Auch hier weiß der Zuschauer nicht so genau, was der Autor aussagen will. Geht es um allgemeine menschliche Schwächen? Geht es um Mobbing, um die am Ende rücksichtslose Familie? Gregor Samsa, mit großem artistischem Körpereinsatz von Alexander Riedel brillant verkörpert, wacht eines Tages aus unruhigen Träumen auf und sieht sich in ein großes Insekt verwandelt. Vater, Mutter und Schwester sind entsetzt, schließlich war Gregor der Alleinverdiener der Familie, und der Prokurist (Markus Henning) hat sich schon nach seinem Verbleib erkundigt. Wie schon in der griechischen Tragödie der Antike treibt ein maskierter Chor von vier Personen die Handlung voran. Die Technik im Theater hat für die Aufführung ein interessantes Bühnenbild gebaut, die Handlung läuft auf zwei Ebenen ab. Während per Videoproduktion das hilflos krabbelnde Insekt in seinem Gefängnis gezeigt wird, berät die Familie unten wie es weitergeht und das Leben wieder normal werden kann, schließlich hat schon der Untermieter (Karl-Josef Überall) ob des Insekts gekündigt.

Der Übergang vom gefilmten Bild zur lebendigen Handlung klappt perfekt. Vater und Mutter Samsa, gespielt von Uwe Dahlhaus und Renate Kemperdick beraten mit ihrer Tochter (Dajana Berkenkopf) wie es weitergehen soll. Die einhellige Meinung ist, das Biest muss weg, auch die Hausangestellte, gespielt von Mira Gottfried, ist des ewigen Drecks vom Ungeziefer überdrüssig. Niemand in der Familie zeigt auch nur einen Funken Mitleid, niemand versucht wirklich zu helfen, jeder ist mit sich selbst beschäftigt. Gregor Samsa bleibt nur der Tod als Ausweg und Erlösung, und alle sind erleichtert.

Vielleicht ist das ja die Botschaft des Autors, fehlende Empathie, das Ausgestoßensein und die Erlösung durch den Tod. Aber das weiß man eben bei Franz Kafka nicht so genau. Auf jeden Fall machten am Ende die gut 70 Minuten dieser Aufführung, neben der begeisternder Schauspielkunst des Ensemble Profan die Zuschauer nachdenklich und ein wenig verwirrt zugleich.

Vorstellung Heute um 19.30 Uhr gibt es eine weitere Aufführung der "Verwandlung" im Theater.

(RP)
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