Interview Einsatz-Schwerpunkt Innenstadt

Solingen · Der Solinger Polizeichef bezeichnet die Lage in der Klingenstadt seit seinem Amtsantritt vor gut elf Monaten als "polizeilich normal". Der 59-Jährige spricht über die beunruhigende Situation in der City und die Entwicklung rund um den Fußball.

Hat Sie etwas am Volumen der Arbeit in Solingen überrascht - auch im Vergleich zur vorherigen, eigentlich gleichen Aufgabe in Remscheid ?

Hall Es hat mich schon überrascht, dass es anders ist als in Remscheid. Auch deswegen, weil ich gedacht habe, es geht genauso weiter mit dem, was ich vorher gemacht hatte. Schließlich kannte ich den Job eines Inspektionsleiters ganz gut. Stattdessen aber musste ich mich auf viele Dinge neu einstellen und in vielen Bereichen umdenken.

Was gehört dazu ?

Hall In erster Linie sind es innerbetriebliche Abläufe. Ich habe hier ein größeres Team als in Remscheid, so dass ich mich schlicht und ergreifend daran gewöhnen musste, mit mehr Leuten zusammenzuarbeiten.

Wie betrachten Sie die Entwicklung der Lage in Solingen seit Ihrem Amtsantritt vor gut elf Monaten ?

Hall Die Lage ist in diesen ersten Monaten im Großen und Ganzen polizeilich gesehen als normal zu bezeichnen. Was mich sehr enttäuscht hat, war der Einsatz beim Niederrheinpokal vor gut einer Woche im Walder Stadion. Dieser Tumult, der verletzte Kollege - es ist widerwärtig, dass Menschen den Fußball missbrauchen, nur um ihren Gewaltmut zu kühlen und auch noch auf die Kollegen loszugehen, ohne an dem Sport selbst Interesse zu haben.

Rechnet man bei dem Duell eines Kreisligisten gegen einen Drittligisten überhaupt mit derartigen Ausschreitungen ?

Hall Ich hatte mir einen ruhigen Fußballabend gewünscht. Daraus ist leider nichts geworden. Wir haben mit Ausschreitungen im Vorfeld gerechnet. Dass es zu diesem Ausmaß am Ende kam, hat mich überrascht.

Aufgrund der Tatsache, dass in Solingen inzwischen nur noch unterklassig Fußball gespielt wird, war es im Vergleich zu anderen Städten zuletzt entspannt rund um die Sportplätze. Wird sich das ändern ?

Hall Ich mache mir ernsthaft Sorgen um die Bezirksliga-Spiele. Wir können nicht für jede dieser Partien einen polizeilichen Einsatz fahren, nur weil da so ein Pöbel auftaucht. Daran hat kein Verein Interesse. Wo soll das hinführen ? Fußball macht mir keinen Spaß mehr.

Haben Sie in anderen Bereichen ähnlich große Sorgen ?

Hall Ich sehe Probleme in der Solinger Innenstadt. Manche Menschen meiden inzwischen diesen Bereich - insbesondere bei Dunkelheit und gutem Wetter. Der Grund: Hier treiben sich offensichtlich Personen herum, die andere Bürger in Unruhe versetzen. Zu den Problemfeldern gehören Raserei, Pöbelei, Rauschgifthandel oder schlichtweg das Wegwerfen von Müll. Wir als Polizei sind bemüht, dort etwas zu ändern, haben aber kaum die Möglichkeit, dort dauerhaft angemessene polizeiliche Präsenz zu zeigen, um diesem Treiben in der nötigen Form Einhalt zu gebieten.

Ich gehe davon aus, dass sie es trotzdem versuchen ...

Hall Natürlich. Die Präsenz ist bei uns ein ständiges Thema. Hier ist jedoch auch die Stadt gefordert, durch entsprechende Maßnahmen dafür zu sorgen, dass Ordnungsstörungen eingedämmt werden.

Genau das war Ihr größtes Anliegen bei Amtsantritt: die Sicherheit in der Stadt zu erhöhen ...

Hall (nickt) ... zu erhalten. Ich habe gesagt, dass ich mit dem Personal, das mir zur Verfügung steht, versuchen werde, polizeiliche Arbeit zu machen, so gut es geht. Dazu gehören neben dem polizeilichen Einsatzgeschäft natürlich die Prävention und Gefahrenabwehr genauso wie Strafverfolgung und die Sicherheit des Straßenverkehrs. Allein dafür würde ich jeweils Sondertruppen benötigen.

Wie groß müsste Ihr optimales Team sein ?

Hall (schüttelt mit dem Kopf) Leider lohnt es sich nicht, diese Diskussion zu beginnen. Wir tun trotzdem das, was wir können.

Ihr Team ist gerade zumindest netto um vier Stellen aufgestockt worden.

Hall Das ist seit Jahren das erste Mal, dass der Personalbestand gestiegen ist. Es ist keine deutliche Steigerung, aber eine Steigerung, über die ich mehr sehr freue und mit der ich ein Stück weiterkomme.

Wie läuft in puncto Sicherheit die Kommunikation mit der Stadt ?

Hall Mit den zuständigen Personen, die dort zur Verfügung stehen, läuft die Kommunikation sehr gut. Sie sind auch sehr bemüht. In der Verwaltung wird aber auch diskutiert, zusätzlich erkennbare Kräfte auf die Straße zu bringen. Ich denke, dass die Stadt gut daran tut, so etwas zu installieren. Ob es jedoch 16 Leute sein müssen, sei dahin gestellt. Jeder mehr als die Zwei, die derzeit unterwegs sind, bringt uns weiter.

Reicht das unterstützende Präsenz zeigen langfristig aus, um die Probleme in den Griff zu bekommen ?

Hall Es wäre gut, wenn diese zusätzlichen Ordnungskräfte eine gute Vernetzung innerhalb der Stadt hätten, damit auch die Aspekte der Sozialarbeit Berücksichtigung finden. Wenn jemand vom Ordnungsamt auftritt, sollte der Mitarbeiter wissen, wie er mit der einen oder anderen Situation weiter umgehen kann. Die Polizei ist nicht in der Lage, nachhaltige Lösungen zu finden. Wir bereinigen Lagen, und dann müssen Andere agieren. Das klappt nicht immer.

An welche Beispiele denken Sie ?

Hall Wir werden bei Einsätzen häufig mit Familienstreitigkeiten konfrontiert, wenn sich Eheleute nicht verstehen. Die am meisten darunter leiden, sind die Kinder. Das ist ein Beispiel, wo eine Ordnungsbehörde vor Ort Unterstützung leisten könnte. Wir können nur einen Bericht schreiben - aber bis der an der richtigen Stelle landet ...

Wie beobachten Sie die Bemühungen der Politik, die Situation verbessern zu wollen ?

Hall Sehr aufmerksam. Ich hoffe, dass die Stadt eine finanzierbare Lösung findet.

Wie ist die Situation in den anderen Stadtteilen ?

Hall Ohligs hat sich gemacht. Auch weil die baulichen Maßnahmen rund um den Bahnhof greifen. Die Innenstadt ist und bleibt leider jedoch der Bereich, der momentan die größten Sorgen bereitet.

Ein anderes Problemfeld sind die Einbruchsdelikte, deren Zahl in den jüngsten Wochen und Monaten erneut größer geworden scheint.

Hall Wir hatten im vergangenen Jahr tatsächlich eine Steigerung bei den Einbrüchen von etwa zehn Prozent, obwohl wir in Solingen insgesamt weniger Straftaten hatten. Es ist das Ziel, in der anstehenden dunklen Jahreszeit entsprechende Präsenz zu zeigen. Ich glaube, dass die Kollegen hier in Zeiten knapper personeller Ressourcen gute und kreative Arbeit leisten.

GUIDO RADTKE FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(gra)
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