Solingen Einsatz für benachteiligte Jugendliche

Solingen · Der langjährige Leiter und Mitbegründer der Jugendhilfe-Werkstatt an der Brucknerstraße, Heinz Siering, ist in den "Ruhestand" getreten. Der 66-Jährige setzt sich aber weiter für die Belange von Jugendlichen ein.

Er liebt die Musik und spielt einige Instrumente. Gitarre, Saxophon oder auch die Ukulele sind Heinz Siering nicht fremd. Als Sänger weiß er ebenfalls zu überzeugen, sei es beim Swingvergnügen im Wohnzimmer mit seiner Frau Brigitte (Kontrabass und Gesang) und Heidi Dreibholz (Schlagzeug, Percussion, Gesang) oder aber mit den Bobcats. "Ich komme aus einer musikalischen Familie", sagt Heinz Siering.

Der jetzt 66-Jährige hat aber auch einen ausgeprägten Sinn für praktische Pädagogik und klare Ansprachen. Das hat er im Laufe von mehr als 30 Jahren als Leiter und Mitbegründer der Jugendhilfe-Werkstatt an der Brucknerstraße in Wald unter Beweis gestellt. Ende Februar dieses Jahres hat er hier offiziell seinen letzten Arbeitstag gehabt, nachdem er ohnehin schon eineinhalb Jahre länger dort arbeitete, als er es zunächst vorgesehen hatte. "Der Vorstand des Vereins hatte mich darum gebeten", sagt Siering.

Doch wer den gelernten Elektriker und Schweißer kennt, der weiß, dass er nicht von heute auf morgen der Einrichtung, die er Mitte der 1980er Jahre mit begründet und aufgebaut hat, den Rücken kehren kann. "Mit Winfried Borowski habe ich aber jetzt einen sehr guten Nachfolger gefunden", sagt Heinz Siering. "Wann immer ich kann, werde ich die Werkstatt weiter unterstützen." So beispielsweise, wenn es gilt, bei Firmen Material zu akquirieren, oder er springt ein, wenn ein Ausbilder wegen Krankheit ausfällt. Schmiedekurse gibt Siering obendrein weiter. Öffentlich groß gefeiert wurde der Abschied von Heinz Siering, der 2013 mit dem "Silbernen Schuh" ausgezeichnet wurde, nicht. "Das ist nicht mein Ding", sagt der 66-Jährige, "ich habe mit den Jugendlichen und den Mitarbeitern intern gefeiert - das war sehr schön." Und auch sein Jahrzehnte langer Einsatz für die Jugendlichen wird mit dem Eintritt in den "Ruhestand" nicht aufhören: "Über 750 Jugendliche aus 36 verschiedenen Nationen ohne Schulabschluss haben in der Werkstatt bislang einen Platz gefunden - und ein Stück Heimat", wie Siering betont. Und viele davon, mehr als zwei Drittel, hätten ihren beruflichen Weg gemacht: "Sie brauchten halt mehr Zeit, und die Jugendhilfe-Werkstatt hat dafür die Geduld aufgebracht."

Mit Hilfe seiner Schützlinge haben Siering und die Jugendhilfe-Werkstatt auch optisch deutliche Zeichen in Solingen und bei auswärtigen Ausstellungen gesetzt. Die metallenen Figuren im Botanischen Garten, das Sinti-Denkmal an der Korkenziehertrasse und natürlich das Mahnmal, das nach dem Brandanschlag vor dem Mildred-Scheel-Berufskolleg entstanden ist und der Trauer in Solingen ein Gesicht gegeben hat, sind nur einige wenige Beispiele.

Ein Jahr nach dem Brandanschlag wurde das metallene Mahnmal, das einen Mann und eine Frau zeigt, die ein Hakenkreuz zerbrechen, aufgestellt. Hunderte, in der Jugendhilfe-Werkstatt handgeschmiedeter Aluminium-Reifen mit jeweils bis zu vier eingravierten Namen, stammen ebenfalls aus der Jugendhilfe-Werkstatt.

Über handwerkliches Lernen hat Siering Jugendliche von der Straße geholt. "Immer mehr Jugendliche gingen damals nicht mehr zur Schule und drohten zu verwahrlosen", sagt er mit Blick auf die 1980er Jahre. Siering selbst arbeitete damals in einer Jugendhilfe-Werkstatt in Köln-Ehrenfeld und bei ihm reifte der Wunsch, eine solche Werkstatt in Solingen zu etablieren. 1986 ging die Werkstatt an der Brucknerstraße an den Start. "Wir hatten anfangs kein Gebäude, keine Finanzierung und auch kein Konzept", räumt Siering ein. Doch mit tatkräftiger Unterstützung vieler gelang es, die Werkstatt aufzubauen und Jugendlichen eine Chance zu geben, Versäumtes nachzuholen, die Grundtechniken in der Metall- und Holzbearbeitung sowie der Hauswirtschaft zu erlernen und im Förderunterricht Lücken aufzuholen.

Beim Thema Förderunterricht sträuben sich bei Heinz Siering indes die Nackenhaare und er hört nicht auf, hier weiter für die Jugendlichen zu kämpfen: "In die Werkstatt gehört auch ein Bildungsangebot. Die Jugendlichen sollen nicht nur schweißen können, sondern auch schreiben und lesen." Lehrer für diesen Förderunterricht werden seit dem vergangenen Jahr aber nicht mehr über den Europäischen Sozialfonds bezahlt.

"Nur durch den Einsatz von Alt-Oberbürgermeister Norbert Feith ist der Förderunterricht bei uns noch bis diesen Sommer über die Sparkassen-Stiftung gesichert", sagt Heinz Siering. Seine Versuche, eine nachhaltige Lösung über den Sommer hinaus zu finden, scheiterten bislang "an politischer Ignoranz oder Finanzkürzungen". "Große Hoffnung" setzt der 66-Jährige jetzt auf Oberbürgermeister Tim Kurzbach: "Er hat versprochen, uns zu helfen."

Der Förderunterricht sei wichtig, auch mit Blick auf die Integration von Flüchtlingen. Für Heinz Siering, der sich als Anwalt für diejenigen versteht, die nicht auf der Sonnenseite stehen, ist ohnehin klar: "Wenn Menschen zusammenarbeiten, lernen sie sich schätzen - und Vorurteile verschwinden."

(uwv)
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