Serie 24 Stunden - 24 Menschen Einer der Ersten auf Solingens Straßen

Solingen · Die ersten beiden Linienbusse verlassen um 3.51 Uhr den Betriebshof der Stadtwerke-Verkehrsbetriebe, um am Graf-Wilhelm-Platz die ersten Fahrgäste aufzunehmen. Die erste Stunde ist die Ruhe vor dem Sturm.

 Routine vor der Abfahrt: Erdal Yörük kontrolliert den Bus auf Schäden an Reifen oder Lack.

Routine vor der Abfahrt: Erdal Yörük kontrolliert den Bus auf Schäden an Reifen oder Lack.

Foto: Radtke

Jeder Bus hat seinen Stellplatz. Nach Wagennummern sortiert wartet der gesamte Fuhrpark der Stadtwerke-Verkehrsbetriebe im Betriebshof an der Weidenstraße auf seinen Einsatz. "Wenn die Plätze nicht festgelegt wären, müssten wir um diese Uhrzeit lange nach dem zugeteilten Bus suchen", sagt Busfahrer Erdal Yörük. Denn nachdem auch die Nacht Express-Linien ins Depot gekommen sind, befinden sich um kurz nach halb Vier ausnahmsweise sämtliche Fahrzeuge im Depot.

Serie 24 Stunden - 24 Menschen: Einer der Ersten auf Solingens Straßen
Foto: Radtke, Guido (gra)

An diesem Tag ist es an Erdal Yörük, den ersten Bus mit Abfahrt um 4 Uhr am Graf-Wilhelm-Platz auf Solingens Straßen zu bringen. Der 44-Jährige blickt mit kleinen, müden Augen auf die Fahrplan-Karte, die ihm verrät, welche Tour auf ihn in der Frühschicht wartet: Bis zum Dienstende um 12.15 Uhr wird er zwischen Ohligs und Hästen (über Merscheid) sowie Höhscheid (über Wald) auf den Obus-Linien 681 und 682 unterwegs sein. "Es ist eine meiner bevorzugten Strecken, weil man hier zügig unterwegs ist und die Zeit schnell umgeht."

Neben Erdal Yörük halten sich drei weitere Busfahrer-Kollegen im Betriebshof auf, obwohl nur einer von ihnen für den zweiten ersten Bus des Tages vorgesehen ist. "Die Reservefahrer springen kurzfristig ein, wenn ein Fahrer nicht da ist", klärt Yörük auf. "Aber das passiert eher selten." Im Winter arbeitet der Frühservice bei Bedarf zu und unterstützt, zugefrorene Scheiben zu enteisen, damit nicht schon die ersten Busse eine Verspätung verzeichnen.

Im Regelfall sind zehn Minuten angesetzt, um den Bus vor dem ersten Einsatz vorzubereiten. Um 3.41 Uhr schaltet Erdal Yörük den Motor und die Lichter an. Es folgt ein Kontrollgang rund um den Bus, ob womöglich Reifen oder der Lack beschädigt sind. Die Taschenlampen-Funktion des Smartphones ist dabei eine gute Hilfe. Wenn auch im Inneren Türen und Entwerter überprüft sind, richtet Erdal Yörük seinen Arbeitsplatz ein. Die letzte Amtshandlung vor Verlassen des Depots um 3.51 Uhr ist das Ausfüllen des Umlaufplanes, auf dem bis zur Rückkehr des Gelenkbusses um 23.40 Uhr jeder weitere Fahrer die Übernahme quittiert.

Erdal Yörük mag es, zu den Ersten auf Solingens Straßen zu gehören. "Ich bin ein Frühaufsteher", sagt der zweifache Familienvater, der daher gerne den Frühdienst übernimmt. "Es gibt wiederum Andere, die arbeiten lieber in den späten Abendstunden. Weil man sich untereinander kennt, wird auf Wunsch ganz unproblematisch der Dienst getauscht."

Die Zahl der Fahrgäste, die um 4 Uhr am Graf-Wilhelm-Platz auf einen der beiden ersten Busse in Richtung Hauptbahnhof warten, lässt sich an zwei Händen abzählen. In die "682" von Erdal Yörük steigen eine Zeitungsbotin mit ihrem Hund und ein Mann auf dem Weg zur Arbeit in einer Gießerei in Wald ein. Am Mühlenplatz folgt ein junger Mann mit Rucksack, der von der Rund-um-die-Uhr-Öffnung eines Fitnessstudios in den Clemens-Galerien Gebrauch gemacht und trainiert hat. "Man kennt seine Fahrgäste, die immer zur gleichen Uhrzeit mit dem gleichen Bus fahren." Erdal Yörük ist seit 17 Jahren bei den SWS-Verkehrsbetrieben beschäftigt - ausgestattet mit einem Lkw-Führerschein hatte er sich beworben, anschließend eine dreimonatige Ausbildung absolviert und den Personenbeförderungsschein erlangt.

Die Nadel des Tachometers zeigt auf der Fahrt über die Schlagbaumer Straße, Friedrich-Ebert-Straße und Weyerstraße nach Ohligs nie mehr als 35 Kilometer pro Stunde. "Ich könnte schneller fahren, aber dann müsste ich an jeder Haltestelle anhalten, um im Fahrplan zu bleiben", sagt Erdal Yörük. Den Verkehr kann er mit diesem Tempo ohnehin nicht aufhalten, da nur selten ein Auto dem Bus folgt. Am Hauptbahnhof angekommen, lässt sich der Busfahrer bewusst Zeit und startet den Motor wenige Minuten später als vorgesehen. "Ich weiß doch, dass ich drei Haltestellen wieder pünktlich bin."

Es herrscht müde Stille im zur "681" geworden Linienbus, in dem auch weiterhin nur wenige Plätze belegt sind. Lediglich 17 Fahrgäste sind auf der Rundtour vom und zum Graf-Wilhelm-Platz ein- und ausgestiegen. Die Ruhe vor dem Sturm. "Ab jetzt geht's los", sagt Erdal Yörük und grüßt um 4.50 Uhr einen Kollegen im aus Höhscheid kommenden und fast bis auf den letzten Sitzplatz belegten Obus nach Wald.

(gra)
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