Franz Haug "Eine Regionale für die Menschen"

Solingen · Der Alt-Oberbürgermeister, der zu den Vätern der Regionale 2006 zählt, erinnert sich an den langen Weg hin zum damaligen Erfolgsprojekt.

Herr Haug, zehn Jahre nach der Regionale 2006 wollen Solingen, Remscheid und Wuppertal jetzt für die Regionale 2025 einen neuen Anlauf nehmen. Glauben Sie - als einer der Väter der alten Regionale - wirklich, dass das Land schon wieder ein Füllhorn von Geldern über dem Bergischen ausschütten wird?

Haug (lacht) Bevor das Füllhorn über einen kommt, muss man ja zunächst einmal richtig hart arbeiten. Aber im Ernst: Natürlich wäre ein erneuter Regionale-Zuschlag eine große Chance für die Region. Nun kommt es aber darauf an, die Regionale 2006 nicht zu kopieren, sondern neue Ansätze zu entwickeln.

Dabei war die Regionale 2006 doch richtig erfolgreich. Damals ging es vor allem um Stadtentwicklung und Tourismus.

Haug Genau. Die Regionale 2006 ist zu einer Erfolgsgeschichte geworden. Unser Motto war damals "Spurwechsel". Und wir hatten uns von Anfang an das Ziel gesetzt, Dinge zu schaffen, die über den Tag hinaus Bestand haben würden. Denken Sie beispielsweise an den Brückenpark, ein Projekt aller drei Städte. Oder nehmen Sie den Südpark.

Eine Künstlerkolonie, die seinerzeit viele in Solingen für undenkbar hielten.

Haug So ist es - und was ist heute daraus geworden. Dreiviertel der Künstler vom Anfang sind noch da. Und drumherum ist ein ganz neuer Stadtteil entstanden. Das ist jedoch nur einer der Erfolge der Regionale 2006. Ich könnte die Liste weiter fortsetzen: Die neuen Bahnstationen Mitte und Grünewald, der umgestaltete Neumarkt, der Wanderweg von Schaberg nach Müngsten und nicht zuletzt die Korkenziehertrasse, um nur einige Projekte zu nennen. Dabei ist gerade die Trasse für die Menschen in der Stadt kaum noch wegzudenken.

Wie kam es eigentlich zu der Idee, eine alte Bahnstrecke zu einem Freizeitweg umzubauen?

Haug Da muss vor allem ein Name genannt werden: Henry Beierlorzer, der Geschäftsführer der damaligen Regionale 2006 Agentur. Der Ansatz war einfach brillant. Da kann man wirklich heute sagen: Die Stadt bewegt sich auf der Trasse. Was wiederum zu dem damaligen Slogan ,Wir bewegen die Region' passt.

Beierlorzer war einer Ihrer wichtigsten Mitstreiter in diesen Jahren.

Haug Ja, und es gab noch andere. Etwa Hartmut Hoferichter, der 2001 nach Solingen kam. Sowie Vera Rottes, die Geschäftsführerin der Sanierungsgesellschaft Südliche Innenstadt. Wobei natürlich genauso wichtig war, dass wir beispielsweise einen engen Kontakt zum Regierungspräsidenten hatten, mit dem wir praktisch alle vier Wochen zusammensaßen.

Also im übertragenen Sinn eine Regionale der kurzen Wege?

Haug Wenn Sie so wollen. Dazu kamen aber noch einige andere Punkte, die den späteren Erfolg begründeten.

Welche sind das?

Haug Zum Beispiel, dass wir uns, nachdem wir den Zuschlag für die Regionale 2006 bekommen hatten, zunächst einmal Zeit ließen. Wir haben jede Menge Veranstaltungen organisiert und gefragt, was wir machen können. Das war von zentraler Bedeutung, denn auf diese Weise sind wir mit den Bürgern ins Gespräch gekommen - was wiederum die Voraussetzung dafür war, dass es eine Regionale der Menschen wurde.

Wobei man der Ehrlichkeit halber sagen muss, dass einige seinerzeit irgendwann ein bisschen ungeduldig wurden.

Haug (lacht) Sie glauben gar nicht, wie oft ich damals den Einwand zu hören bekommen habe: ,Man sieht ja noch gar nichts von der Regionale'. Und es war ja auch so, dass wir fast ein Jahr nur Veranstaltungen und Events organisiert haben. Doch genau so haben wir es am Ende geschafft, das schon erwähnte Motto ,Wir bewegen die Region' mit Leben zu füllen.

Die Leute sollten also mitgenommen werden?

Haug Natürlich, die Menschen waren aufgerufen, Ideen zu entwickeln. Ich denke zum Beispiel an das Beroma-Projekt in der Hasseldelle im Rahmen der Sozialen Stadt. Das waren die Dinge, die umgesetzt wurden - und die die Begeisterung der Menschen entfachten.

Wobei es dann ja wirklich irgendwann mal los ging mit der Umsetzung der Projekte. Damals hatte man das Gefühl, plötzlich gehe alles ganz schnell.

Haug Das war auch so. Dabei kam uns die lange Vorplanung zugute. Und natürlich, dass wir in Solingen kurze Wege geschaffen hatten. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Dadurch, dass wir zunächst geplant sowie die Leute beteiligt hatten und eben nicht sofort nach dem Zuschlag für die Regionale 2006 mit Vorschlägen in die Gremien gegangen sind, hatten wir zu diesem späteren Zeitpunkt die Chance, durchstarten zu können. Jetzt waren wir in der Lage, Ideen schnell umzusetzen und Anträge schnell zu stellen.

Was wiederum ein Vorteil gegenüber den anderen Städten Wuppertal und Remscheid war.

Haug Das hat sicherlich eine Rolle gespielt. Für Solingen konnte die Regionale darum zum Erfolg werden. Sie dürfen nicht vergessen, dass im Ergebnis nahezu drei Viertel aller Mittel zu uns geflossen sind - was nicht zuletzt an dem relativ langen Vorlauf, den offenen Verfahren und den zügigen Entscheidungen lag.

Dabei hatten etliche Leute seinerzeit das Gefühl, Sie zögen alles an sich.

Haug Sicherlich war es so, dass wir zunächst einmal - wie erwähnt - vieles an der Stadtspitze gebündelt hatten und anschließend an die Basis gegangen sind, um mit den Bürgern zu diskutieren. Doch am Ende sind die Projekte natürlich in den Hauptausschuss gekommen. Dort wurde entschieden. Indes waren die Vorhaben zu diesem Zeitpunkt schon gut vorbereitet. Und selbstverständlich gab es auch einen lokalen Beirat. Allerdings hatte der nur eine beratende Funktion.

Frei nach dem Spruch ,Zu viele Köche verderben den Brei'. Wenn aber irgendetwas schief gegangen wäre, hätten Sie zuletzt die Verantwortung dafür getragen.

Haug Das ist so. Und es war mir klar, dass ich als Oberbürgermeister die volle Verantwortung übernehmen würde. Nur noch einmal: Durch die Einbindung der Menschen war die Regionale von Anfang an durch ein großes Miteinander geprägt.

Was damals wohl auch nötig war. In den Jahren vor der Regionale war Solingen ja vorwiegend negativ in den Schlagzeilen. 1993 hatte es mit dem Brandanschlag ein fürchterliches Verbrechen gegeben. Und zudem verschwanden damals viele Arbeitsplätze.

Haug Das ist richtig. Und nun hatten wir die Chance zu zeigen, was unsere Region zu bieten hat. Es gab durch die Regionale positive Impulse.

Was - bezogen auf eine Bewerbung für die Regionale 2025 - sicher auch wieder zu erwarten wäre.

Haug Das ist tatsächlich so. Aber selbstverständlich ist noch ein weiter Weg zu gehen. Noch einmal: Man muss neue Ideen entwickeln, neue Themen entdecken, die nachhaltig wirken. Eine Kopie der Regionale 2006 hätte sicher keinen Erfolg.

MARTIN OBERPRILLER FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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