Solingen Ein Ur-Raum zum Wohlfühlen

Solingen · Der Bergische Kunstpreis der National-Bank wurde in diesem Jahr geteilt. Nach dem Portrait von Jochen Mühlenbrink stellt die Morgenpost heute die Preisträgerin Leunora Salihu vor.

 Leunora Salihu in ihrem Düsseldorfer Atelier.

Leunora Salihu in ihrem Düsseldorfer Atelier.

Leunora Salihus Skulpturen erinnern auf den ersten Blick an Korbgeflechte und Nester. Sie bestehen oft aus Schichtungen formgleicher Elemente, die die Bildhauerin aus Holz oder Ton baut oder formt. Die beiden Skulpturen, die im Düsseldorfer Atelier der Bergischen Kunstpreisträgerin stehen, hat Salihu aus vielen kleinen anthrazitfarbenen Tonscheiben aufgebaut. Beide Skulpturen sind allerdings nicht auf ihren Sockeln platziert, sondern auf einfachen Holzpaletten. Worauf die Künstlerin dann auch hinweist: "Ich verwende keine klassischen Sockel. Vielmehr beschäftige ich mich mit dem Verhältnis von Sockel und Skulptur. Beides soll untrennbar sein." Für ihre turmartige Skulptur mit ovaler Grundform hat Salihu etwa einen aus Etagen aufgebauten Sockel gebaut. Dessen Größe entspricht der doppelten Grundfläche der Tonform, die so nur eine Hälfte der Fläche besetzt. Die Höhe des Sockels ist so gewählt, dass der Betrachter nahe an die Skulptur herantreten muss, um von oben in die Form hineinschauen zu können.

 Skulpturen der Bergischen Kunstpreisträgerin Leunora Salihu. Im Atelier der Künstlerin stehen diese auf Paletten, nicht auf ihren richtigen Sockeln.

Skulpturen der Bergischen Kunstpreisträgerin Leunora Salihu. Im Atelier der Künstlerin stehen diese auf Paletten, nicht auf ihren richtigen Sockeln.

Die Reihung serieller Elemente ist bei Salihu bildhauerisches Konzept. Über Zeichnungen entwickelt die Künstlerin eine Form. "Anschließend setze ich mich mit der Frage auseinander, wie man diese Form aus einzelnen Elementen durch Reihung oder Schichtung aufbauen kann." Dafür baut Salihu Modelle. "Ich probiere viel mit Papier und Rigips aus. Mit diesen Materialien kann ich unmittelbar agieren. Sonst sind die Prozesse in der Bildhauerei ja langwieriger." Ist das Grundelement gefunden, baut die Künstlerin im Atelier ein Werkzeug, um das Bauteil seriell vervielfältigen zu können. "Es sind immer Formen, die für mich klar geschlossen sind – auch wenn man sie weiterführen könnte."

"Turm" und "Bogen" sind 2010/11 im Rahmen des 24-monatigen Wilhelm-Lehmbruck-Stipendiums entstanden. Gebrannt wurden die Tonskulpturen im European Ceramics Work Center im niederländischen 's-Hertogenbosch. Zum Abschluss des Stipendiums zeigte Salihu ihre Skulpturen im Duisburger Lehmbruck-Museum. Dessen Direktor Prof. Dr. Raimund Stecker die Wahl der Jury bei der Preisverleihung als eine "weise Entscheidung" bezeichnete. Die Ausstellung endete Anfang März und stand unter dem passenden Titel "Junction", also Verbindung. Die Künstlerin zeigte in Duisburg auch eine Großskulptur, ihren "Ur-Raum". Der eiförmige und nach beiden Seiten offene Raumkörper aus Holzelementen war innen mit Teppichboden versehen. Das höhlenartige Werk lud dazu ein, sich hineinzulegen. Ein äußerst "wohltuendes" Erlebnis, wie Raimund Stecker nach einem Selbstversuch versicherte.

Low-Budget-Materialien

Nicht alles, was Salihu entwirft und fertigt, ist für die Ewigkeit gedacht. "Ich arbeite oft auch temporär und mit sogenannten Low-Budget-Materialien. Für mich entspricht das unserer Zeit." Als Beispiel nennt Salihu ihre Großskulptur "Tube End", 2010 entstanden für die Initiative "Junge Kunst am Moltkeplatz" in Essen. Eine über sechs Meter lange Skulptur aus Holz und Kunststoff. "Das Werk oszilliert zwischen biologischem Organismus und technischer Anlage. Halb bedrohlicher Lindwurm, halb bizarres Klimagerät", beschreibt Tankred Stachelhaus die Skulptur im Katalog zur Ausstellung.

(mit)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort