Solingen Ein Theaterstück wie eine Partitur

Solingen · Am 26. Mai hat das Ensemble Profan Premiere mit Samuel Becketts Stück.

Man hat es schon irgendwie geahnt: Das Leben ist sinnlos. Und vor allem absurd. So sieht es zumindest Samuel Beckett. "Aber das Leben kann trotzdem Spaß machen", sagt Regisseur Michael Tesch. Mit dem Ensemble Profan gibt es kommenden Donnerstag die Premiere von Becketts "Glückliche Tage" auf der Studiobühne im Theater und Konzerthaus. Das Drama hatte Profan bereits vor rund zehn Jahren erarbeitet und aufgeführt. "In den 30 Jahren, die das Ensemble besteht, gibt es viele Stücke, die man gerne nochmal machen will", erläutert der Regisseur. "Das sind Werke, mit denen man noch nicht fertig geworden ist, die man nun anders liest, versteht und anders inszeniert."

Dazu gehört auch Becketts 1960 entstandenes Werk "Glückliche Tage". Neben "Warten auf Godot" ist dieses Drama Becketts bekanntestes und meist aufgeführte. Beide Werke sind von endzeitlicher Stimmung und umkreisen das Thema der Absurdität des Lebens - aber auf ganz unterschiedliche Weise. In "Warten auf Godot" haben die Protagonisten relative Bewegungsfreiheit. "Und sie hoffen, dass alles gut wird, wenn Godot kommt." Natürlich kommt er nicht. Das wartende Leben ist unsinnige Sinnlosigkeit. In "Glückliche Tage" gibt es keine Bewegung mehr. Hauptperson Winnie, eine alternde Ehefrau, steckt bis zur Hüfte laut Regieanweisung in einem Erdhügel fest. Im zweiten Akt schaut sogar nur noch der Kopf heraus. Tesch: "Beckett thematisiert hier auch das Publikum." Dessen Fragen erscheinen in Gestalt zweier Besucher, von denen Winnie erzählt: Was soll das? Warum gräbt ihr Ehemann sie nicht aus? Der wortkarge Gatte Willi (Markus Henning) lebt hinter dem Erdhügel in einer Höhle. Er ist der einzige, der reagieren kann - auch wenn er am Schluss nur noch auf allen Vieren kriecht. "Das Reizvolle und Schwierige ist es, das ich eigentlich nur Arme und Kopf bewegen kann. Hier kann man die Figur der Winnie nicht über das Körperliche finden", sagt Hauptdarstellerin Renate Kemperdick, die auch vor zehn Jahren Winnie gespielt hat. Da Kemperdick auch Tänzerin ist, ist die Bewegungslosigkeit eine besondere Herausforderung. "Zunächst fand ich es erschwerend, in meinem Bewegungsdrang eingeschränkt zu sein." So läuft vieles - wie fast immer bei Beckett - über die Sprache. Aber Becketts Stücke sind keine reinen Textbücher. "Sie sind wie Partituren, in denen jede Geste, jede Handbewegung der Schauspieler vorgegeben ist. Das macht Sinn, denn es gibt dem Werk einen perfekten Rhythmus." Winnie ist von einer überzogenen Fröhlichkeit. Jeder Tag ist für sie ein glücklicher Tag, ein Tag, an dem man Neues lernen möchte - obwohl alle Tage gleich verlaufen. Ein ständiges "immer weitermachen", von dem man sich etwas erhofft, von dem man aber auch weiß, dass es keine Aussicht hat. Einzig eine schrille Klingel gliedert den Tag und bestimmt, wann Winnie schlafen darf oder nicht: das einzige Zeichen von außen. Kemperdick: "Hier kann man auch anschauen, wie sich der Mensch das Leben mit Krücken - etwa der Religion - gestaltet."

Winnie lebt dabei ganz im Moment. Michael Tesch zur Entwicklung: "Nach zehn Jahren hat die Figur nun mehr Präsenz bekommen." Wird in "Godot" das Leben mit Warten herumgebracht, so existiert es in "Glückliche Tage" nur im Festhalten des Augenblicks: beides sinnlos und absurd, beides typisch Beckett.

(crm)
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