Solingen Ein Fest fürs Ohr in sinfonischem Gewand

Solingen · Beim dritten Philharmonischen Konzert der Bergischen Symphoniker ging es keineswegs nur "hemdsärmelig" zu.

Schluss mit der Düsternis, hinfort mit der Schwermut. Seien wir mal locker, leicht, unterhaltsam - ja sogar "hemdsärmelig". Das Motto war Programm, und so überwogen beim 3. Philharmonischen Konzert der Bergischen Symphoniker unter Leitung von Peter Kuhn die hellen, klaren Töne. Denen es allerdings keineswegs an Tiefe fehlt, wie sie mit Werken von Kurt Weill und Schostakowitsch eindrucksvoll zeigten.

Selten fing ein Konzert so gemütlich an: Mit Weills Suite Panaméenne durfte man sich zurücklehnen und erst einmal schwelgen in schönen Tönen. Drei beschwingte Sätze, gespickt mit lateinamerikanischen Rhythmen und Melodien, wurden unter Kuhns Dirigat in hoher Qualität kompakt, dynamisch und konturenreich serviert, schwangen sich mit der unprätentiösen Energie reiner Spielfreude auf zum lässig bewegten Ohrenschmaus - vom Tango der Introduktion und dem panameeischen Marsch mit seinen kraftvollen Bläsercrescendos über den butterweich phrasierten, Bigbandnostalgie verströmenden Habanerapart bis zum Schlussfoxtrott, der in seinem Duktus leicht an Gershwins Rhapsody in Blue erinnerte. Das war beste Unterhaltung in sinfonischem Gewand, ein brillant präsentiertes Salonschmankerl mit Varieté-, Revue-, und Musiktheaterelementen, die Weill so berühmt machten. Ein Fest fürs Ohr.

Weills "Sieben Todsünden" gingen dann in komplexere Tiefen. Mit Satire, Witz und Sarkasmus deutete Brechts Text die 7 Sünden in Kapitalismuskritik um: In sieben sinfonischen Sätzen zieht Anna um die Welt, um Geld fürs Eigenheim zu verdienen. Ein Männerquartett am Bühnenrand steht für die Familie, welche Anna hinausgeschickt hat. Was die Symphoniker nun in erster Linie zeigen konnten, war, dass über die politische Botschaft hinaus starke Musik entstand, die als konzertantes Erlebnis auch für sich bestehen kann.

Die sieben Sätze waren nach allen Regeln sinfonischer Kunst gestaltet: sauber, klar, hochdynamisch vom zartesten pianissimo bis zum brachialen fortissimo-Akzent, stets erstklassig artikuliert, mit perfekten Solos, Akzenten und Zwischenspielen und in einem gut ausgeleuchteten, differenzierten Zusammenspiel mit fünf Top- Solisten: Delia Mayer (Sopran) verlieh der Anna Schärfe und Authentizität, aber auch die Tenöre John Zuckerman und Karsten Münster sowie Marek Reichert (Bariton) und Ulrich Schneider (Bass) setzten eindrucksvolle Akzente, was besonders in den Duetten und dem mehrstimmigen Satzgesang zum Tragen kam. Die Zusammenarbeit mit den Symphonikern war punktgenau und filigran - eine gute Leistung.

Nach der Pause kam mit Schostakowitschs Erster Symphonie op. 10 die Abschlussarbeit des damals 19-jährigen Musikstudenten zu Gehör. Die Symphoniker machten deutlich, dass dieses Frühwerk bereits die wichtigsten Merkmale des reifen Schostakowitsch in sich trug - so auch den Kontrast vieler komplexer, filigran entwickelter Solostimmen, die sich aufschwingen zu expressiven Höhepunkten, die in spannungsreichen Bögen von den kammermusikalischen Strukturen hin zum brachialen Orchestertutti wirkungsvoll aufgebaut wurden.

Da war großes Symphonisches Kino zu erleben: sehr bewegt, klar artikuiert der erste Satz, stringent die Linienführung des zweiten, ergreífend, ohne falsches Pathos, das melancholische Lento, klar durchkonzeptioniert das effektvolle Finale. Das war starke Musik - ein mitreißendes symphonisches Szenario.

(RP)
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