Solingen Dramatischer Appell der "Drogen-Oma" an Sohn

Solingen · Hilfesuchend und ein wenig verloren griff die alte Frau nach der Hand ihrer Verteidigerin. Die Anwältin hatte gerade eine Erklärung im Namen der 85-Jährigen verlesen. Doch helfen können der bislang vollkommen unbescholtenen Frau wohl nur noch die zwei Männer, die Mittwoch bei der Fortsetzung des "Drogen-Oma"-Prozess wie schon an den Tagen zuvor eine Reihe hinter ihr saßen.

 Der Europäische Gerichtshof hat die Kündigung eines Kirchenmusikers wegen Ehebruchs für unrechtmäßig erklärt.

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Foto: DDP

Denn der alten Dame wird zur Last gelegt, bis 2009 große Mengen Heroin aus Holland nach Solingen geschmuggelt sowie hier verkauft zu haben. Nach Stand der Dinge tat sie all dies aber wohl nur, um dem drogenabhängigen Sohn (50) und dem nicht minder süchtigen Enkel (25) zu helfen. Und so fiel der Appell, den die Rentnerin und Ex-Stadtangestellte gestern über ihre Verteidigerin an die Verwandten richtete, auch dramatisch aus: Sie brächte es einfach nicht übers Herz, gegen Sohn und Enkel auszusagen, ließ sie mitteilen — und flehte fast: Macht endlich reinen Tisch!

Eine Bitte, deren Erfüllung man Sohn und Enkel tatsächlich nur ans Herz legen kann. Ernsthafte Zweifel an der Schuld der Männer bestehen nämlich kaum noch. Der 50-Jährige war laut der Seniorin sehr früh an Drogen gekommen, als er von der geschiedenen Frau, die zwei Kinder allein durchbringen musste, in ein Internat gegeben wurde. Etwas, das sich die Mutter bis heute zum Vorwurf macht und das Leben der Familie zerrüttete, zumal auch der Enkel später ans Heroin geriet.

Dessen Rechtsanwalt kündigte gestern für den nächsten Prozesstag, Freitag, seinerseits eine Erklärung seines Mandanten zur Sache an. Allerdings dürften den ständig grinsenden jungen Mann weniger die Worte der Oma, als vielmehr das Geständnis eines weiteren Angeklagten dazu bewogen haben. Der von Rechtsanwalt Marc Francoise vertretene 29-jährige Rollstuhlfahrer brach als erster das Schweigen und gestand, zehn Mal Drogen nach Solingen geschleust zu haben. Als Grund gab er an, wegen Schulden von einem — nicht angeklagten — Bekannten massiv unter Druck gesetzt worden zu sein.

"Damit haben wir eine Steilvorlage geliefert", erklärte Anwalt Francoise später unserer Zeitung. Er hofft, dass nun auch die anderen aussagen. Vor allem aber hat sich sein Mandant mit dem Geständnis einen Gefallen getan. Denn durch diesen Befreiungsschlag könnte seine Strafe geringer ausfallen als jene über sieben Jahre, die die Staatsanwaltschaft bereits ins Spiel brachte. Fortsetzung ist Freitag, 9.15 Uhr.

(RP)
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