Interview "Die Politik muss die gesamte Stadt betrachten"

Solingen · Der alte und neue Vorsitzende der Solinger FDP spricht über einen möglichen Nachfolger, die Position der Liberalen im Stadtrat und die Wahlen im kommenden Jahr.

Mit großer Mehrheit sind Sie auf dem Kreisparteitag als Vorsitzender der Solinger FDP wiedergewählt worden. Aber ganz ehrlich: Hätten Sie Ihr Amt nicht lieber abgegeben ?

Müller Ich habe eigentlich seit Jahren jüngere Stellvertreter, die das Amt durchaus übernehmen könnten. Aber die potenziellen Kandidaten sind meist beruflich oder privat derart eingespannt, dass sich ein möglicher Wechsel an der Spitze erneut nicht ergeben hat.

Könnte sich bei den nächsten Wahlen etwas ändern ?

Müller Ich hoffe, dass Dr. Weindl das Amt in zwei Jahren übernehmen kann. Rein theoretisch arbeiten wir auf diesen Wechsel hin.

Und da wäre ja auch noch der Vorsitz der FDP-Ratsfraktion. Wie lange wollen Sie selbst in beiden führenden Positionen fungieren ?

Müller So lange mir die Parteifreunde noch irgendwo das Vertrauen schenken. Aber ich wüsste auch nicht, was ich sonst den ganzen Tag tun sollte. (lacht) So ist das, wenn man Rentner ist. Ich habe mich zwar in Teilbereichen zurückgenommen und achte darauf, auch etwas für die Gesundheit zu tun. Aber es hält auch jung, noch voll in der Arbeit zu sein.

Wie sehen Sie die Rolle der Liberalen im Stadtrat ? Sind Sie zufrieden, wie es sich in den knapp zwei Jahren nach der Kommunalwahl eingependelt hat ?

Müller In vielen Bereichen können Beschlüsse nur mit breiter Mehrheit verabschiedet werden. Das betrifft insbesondere den Haushalt und das Thema Flüchtlinge. Wie viele andere Städte haben wir jedoch die schwierige politische Situation mit vielen Einzelkämpfern - und weil es aufgrund dieser Konstellation keine große Koalition geben wird, kann es eine breite Übereinstimmung nur im Konsens geben. Wie wir bislang gesehen haben, kann das funktionieren. Wir sind ja alle auch nicht so weit auseinander gewesen, was den Etat betrifft.

Bei der Flüchtlingsfrage hingegen scheinen die Interessen weiter auseinanderzugehen.

Müller Es gibt Dinge, die müssen mit der großen Ratsmehrheit entschieden werden. Wir sind als Politiker gewählt, um die gesamte Stadt Solingen zu betrachten - und nicht etwa nur Gräfrath mit der Nibelungenstraße. Ob wir eine Straße bauen, die Beleuchtung austauschen oder sonst was machen, von irgendwo her gibt es immer Widerspruch. Leider ist das ein Trend in der Gesellschaft. Aber auch das scheint Demokratie zu sein.

Gibt es etwas, was bislang gegen den Willen der FDP durchgesetzt worden ?

Müller Das sehe ich momentan nicht. Es gibt aber noch einige Themen, die beraten werden müssen. Wir haben unsere Probleme mit den Gebührenordnungen und möglichen Steuererhöhungen. Die sindnatürlich einfach umzusetzen. Aber mal zu durchforsten, wo man sparen könnte, oder wo seit zehn Jahren Dinge gemacht werden, die heute vielleicht gar nicht mehr wichtig sind - das macht keiner. Die Bereitschaft wird zwar signalisiert, aber es packt keiner richtig an.

Haben Sie etwas Bestimmtes im Auge ?

Müller Theoretisch haben wir das. Und wir es haben es ja auch versucht. Vor zwei Jahren haben wir angeregt, die Anlage 23 (Zuschüsse und Zuweisungen unter anderem an Vereine und Verbände / Anmerkung der Redaktion) - obwohl es nicht der dickste Brocken ist - um zehn Prozent zu kürzen. Oder ein anderes Beispiel: Einschließlich der Verwaltung waren wir der Auffassung, das die Standards gesenkt werden müssen. Dann kam eine achtseitige Übersicht mit den Standards im Hochbau. Nirgendwo stand allerdings etwas davon, auf welchen goldenen Wasserhahn womöglich verzichtet werden könnte, um etwas einsparen zu können.

Auf dem Kreisparteitag haben Sie gesagt, zwei großen Aufgaben liegen vor den Solinger Liberalen: die Land- und Bundestagswahlen 2017. Gibt es schon personelle Tendenzen ?

Müller Bereits Anfang voriges Jahres habe ich als Vorsitzender Gespräche geführt bezüglich möglicher Kandidaten für den Bundes- und Landtag. Bei der Entscheidung muss man die gesamte Partei mitnehmen und viele innerparteiliche Vier-Augen-Gespräche führen.

Und man muss Remscheid mit ins Boot holen ...

Müller Das habe ich schon längst. Es besteht ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Amtskollegen Hans Lothar Schiffer. Wir sitzen ja auch zusammen im Regionalrat und treffen uns zu gemeinsamen Fraktionssitzungen.

Im Oktober hatte sich der Remscheider Unternehmer Michael Kleinbongartz für eine mögliche Kandidatur bei der Bundestagswahl ins Gespräch gebracht. Ist er tatsächlich der gemeinsame Kandidat ?

Müller Ich kann nur so viel sagen: Herr Schiffer und ich haben einen Kandidaten ausgeguckt. Es sind jedoch noch einige Gespräche zu führen, bis wir irgendwann Mitte des Jahres auf einem gemeinsamen Kreistag verabschieden, wer wann und wo kandidiert.

GUIDO RADTKE FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(gra)
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