Solingen Die Kunst, Regenwasser abzuleiten

Solingen · Gewitterschauer lassen Gullys überlaufen: Uni und TBS forschen nach Kanalbau-Konzept der Zukunft.

 Wasser Marsch zu Forschungszwecken: An der Wittekindstraße wurde gestern der Hydrant aufgedreht.

Wasser Marsch zu Forschungszwecken: An der Wittekindstraße wurde gestern der Hydrant aufgedreht.

Foto: Köhlen, Stephan (TEPH)

Sechs Liter Wasser pro Sekunde, so viel wie nach einem kräftigen Regenguss, fließt auf den Gully am Bordstein der Wittekindstraße zu. Doch ein Teil saust einfach über den Metallrost des Straßeneinlaufs hinweg. Jetzt wird die Wassermenge verdoppelt, in dem Stadtwerke-Mitarbeiter den Hydranten oberhalb kräftiger aufdrehen. Der Zufluss am Straßenrand steigt, zugleich schießt aber auch umso mehr Wasser über den Gully hinweg.

Wie ist das Verhältnis im Detail? Wie viel Wasser gelangt bei welchen Niederschlagsmengen erst gar nicht in den Gully und damit eben nicht ins Kanalnetz. Dies untersuchte Professor Andreas Schlenkhoff mit seinen Studenten vom Fachbereich Wasserwirtschaft und Wasserbau an der Bergischen Universität in Wuppertal gestern bei einem wissenschaftlichen Feldversuch auf der Straße in Höhscheid.

Im Extremfall, also bei einem sintflutartigen Sommergewitter und einem ungünstigen Fahrbahngefälle, schießen bis zu 30 Prozent der Wassermassen auf der Fahrbahn über den Sinkkasten hinweg. Und dann versperrt noch nicht einmal Laub den Eisenrost des Straßeneinlaufs. Das haben die Versuche und Berechnungen im Labor der Uni ergeben. Der Praxisversuch gestern bei realen Straßenverhältnissen sollte die Laborerkenntnis überprüfen.

Das Ergebnis des von den Technischen Betrieben Solingen (TBS) angestoßenen Forschungsvorhabens hat Konsequenzen für die Kanalbau-Planung der Stadt mit ihren 16 000 Gullys - zumal angesichts des Klimawandels extreme Sommergewitter häufiger werden.

"Das ist ein hochspannendes Thema für eine Stadtentwässerung, um Kosten zu sparen", sagte Andreas Schlenkhoff. "Wir können die Kanalnetzplanung realistischer gestalten", erklärte TBS-Pojektleiter Tycho Kopperschmidt. Klassische Berechnungsgrundlage war bislang, dass das gesamte Niederschlagswasser einer befestigten Fläche komplett in das Kanalnetz gelangt, so dass der Durchmesser der Abwasserrohre für einen extremen Gewitterschauer auszulegen wäre. Kostenproblem: Neue Känale zu bauen beziehungsweise bestehende angesichts des Klimawandels zu vergrößern, dies ist stets die teuerste Variante.

Die Kunst sei, das Regenwasser oberflächlich geschickt abzuleiten, betonte TBS-Projektleiter Kopperschmidt. Mitunter hilft es bereits, das Straßengefälle von der einen zu anderen Seite zu ändern. Eine weitere Möglichkeit ist eine Mulde am Straßenrand, wie sie an der Wittekindstraße besteht. In der Siedlung wird denn auch bereits über ein System von Mulden das Regenwasser - auch von Hausdächern - zum Bismarckplatz und zum alten Lauf des Weinsberger Baches geleitet.

Das Uni-Projekt gegen überlaufende Gullys wird vom Land gefördert. Die Ergebnisse werden Ende das Jahres erwartet und haben auch für andere Städte Modellcharakter.

(RP)
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