Solingen Der Tanz auf dem Pedal der großen Klais-Orgel im Konzertsaal

Solingen · Lustlos wurde das Programm heruntergeholzt. So zumindest schrieb ein Rezensent vor genau 50 Jahren über das Eröffnungskonzert der großen Klais-Orgel im Konzertsaal. Der so gescholtene Organist war Prof. Hans Bachem aus Köln.

Ob der renommierte Künstler tatsächlich einen schlechten Tag gehabt hat, oder beim misslaunigen Kritiker nur der Haussegen schief hing, lässt sich nicht mehr sagen. Beurteilen aber konnte am Sonntagabend die zahlreich erschienene Fangemeinde im Konzertsaal die ebenso virtuosen wie interpretatorisch ausgefeilten Künste von Johannes Geffert, der Professor für Orgel und Evangelische Kirchenmusik an der Kölner Musikhochschule ist. Dabei war Geffert zudem ebenso informativer wie charmanter Moderator seines eigenen, originellen Programms.

In der Versenkung verschwunden ist der Beethoven-Zeitgenosse Sigismund Neukomm. Dabei ist seine Musik sehr spannend, wie der Organist buchstäblich vor Augen führt. "Große dramatische Fantasie: Konzert am See, unterbrochen von einem Donnerwetter" lautet der vielversprechende Titel. Dank der vielfältigen Möglichkeiten der 53-registriegen Orgel konnte Geffert aus dem Vollen schöpfen. Eine bezaubernde und eingängige Musik lässt eine heiter unbeschwerte Idylle entstehen: muntere Picknick-Gesellschaften oder Flaneure am Ufer; ein Bilderbogen aus alten Zeiten. Doch dann lässt Geffert das Pedal fast clusterhaft grummeln. Im Hauptwerk zucken Blitze auf. Tiefe, röhrende Zungenstimmen verheißen nichts Gutes. Dann bricht fast filmmusikreif das Unwetter donnernd und sausend über das Publikum herein. Beethoven hätte auch seinen Spaß dabei gehabt.

Ein nicht minder kurioses, wenn gleich viel ernsteres Werk sind die Variationen über das "Dies Irae" des 2003 gestorbenen Wuppertaler Komponisten Henning Frederichs. Die Besonderheit: Es wird nur auf dem Pedal gespielt. Da blieben manche Münder offen stehen. Mit beinahe tänzerischen Leichtigkeit wirbelt Geffert über die Fußklaviatur und macht das Werk zu einem eindringlichen Erlebnis. "Deja vu" ist der Titel des zweiten Orgelkonzertes. Denn Johannes Geffert spielt auch Werke, die sein Vorgänger Hans Bachem 1965 "heruntergeholzt" haben soll. So das Präludium e-Moll von Nicolaus Bruhns. Der Jungverstorbene hat nur vier Orgelwerke hinterlassen - und gilt dennoch als bedeutender Vertreter des norddeutschen Barock. Und warum das so ist, macht der Organist mehr als ohrenfällig. Eine kuriose Solo-Einleitung eröffnet. Über einem liegenden Pedalton werden die Stimmen entwickelt. Prinzipal- und Zungenstimmen geben farbige Kontraste. Fein ziseliert kommt das erste Fugenthema daher, dessen Gegenstimme Geffert einen fast tanzhaften Charakter gibt. Gekonnt abgestuft, wird die abschließende Fuge mit ihrem abgehackten Thema in Szene gesetzt.

Spätromantisch orchestral gestaltet der Künstler intensiv César Francks Choral a-Moll. Sein letztes Werk. Klangballungen und Soloabschnitte heben an. Effektvoll wird der Schweller, der mechanisch die Lautstärke regelt, eingesetzt. Zutiefst ergreifend zelebriert Geffert das Choralthema dieser gewaltigen Fantasie, in der melodiös Ausgesungenes neben stillen oder fast verhetzten Abschnitten steht. Kontrast dazu sind die sehr akzentuiert interpretierte Dorische Toccata von Bach und das witzig genommene 13. Orgelkonzert von Händel - inklusive Nachtigallengesang und Kuckucksruf. Brillant führt Johannes Geffert vor, was für ein großer, erhaltenswerter Schatz die große Klais-Orgel in Solingen ist.

(crm)
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