Solingen Dealte "Drogen-Oma" für Sohn und Enkel?

Solingen · Die Staatsanwältin hatte die Anklage verlesen und schon mal die Höhe der Strafen ins Spiel gebracht, die den fünf Beschuldigten drohen könnten. Sechs Jahre blühen demnach einer 85-Jährigen, die unter dem Namen "Drogen-Oma" zu trauriger Berühmtheit gelangte.

Jedenfalls, als die alte Frau dies hörte, da blickte sie kurz hilfesuchend zu Sohn (50) und Enkel (25), die hinter ihr auf der Anklagebank des Landgerichts Platz genommen hatten.

Allerdings, ob von dort wirklich Unterstützung zu erwarten ist, erscheint eher fraglich. Denn die beiden drogenabhängigen Männer dürften die Solingerin erst in die Lage bugsiert haben, in der sie sich befindet. Die drei Verwandten sowie die Freundin (30) des Enkels und ein 29-Jähriger werden beschuldigt, bis 2009 massenweise Heroin aus Holland eingeschmuggelt sowie in Solingen verkauft zu haben.

Der Hintergrund laut Anklage: So gedachte man die Sucht von Sohn, Enkel und Lebensgefährtin zu finanzieren. Und nicht allein das. Als die Bande aufflog, da fanden sich in den Wohnungen der Verdächtigen nicht nur Drogen, sondern auch Geld aus den krummen Geschäften sowie bei dem 50-Jährigen überdies zwei Waffen.

Keine Kavaliersdelikte

Also summa summarum keine Kavaliersdelikte, die vor der 1. Strafkammer zur Verhandlung stehen, was wiederum am gestrigen zweiten Verhandlungstag dazu führte, dass nach Anklageverlesung bis auf den 29-Jährigen alle Beschuldigten schwiegen. "Für uns stimmt bei der Staatsanwaltschaft die Relation nicht", erklärte später Anwalt Oliver B. Gaertner — wissend, dass es gerade für seinen Mandanten, den Sohn der Rentnerin, übel enden könnte. Elf Jahre drohen ihm nach Einschätzung der Anklage, dem Enkel an die zehn, beide gelten als Banden-Kopf.

Gleichwohl betonte Gaertner weiter, habe sein Klient nur aufgrund seiner 30-jährigen Heroinabhängigkeit gehandelt und unterscheide sich so zum Beispiel von dem 29-jährigen Komplizen. Tatsächlich hatte der nie Probleme mit Drogen. Doch dafür plagen ihn andere Sorgen. Seit einer misslungenen OP ist er an den Rollstuhl gefesselt, seine Frau verließ ihn, er hat nur noch eine geringe Lebenserwartung.

Jedenfalls, aus dieser Lage könnte nach Einschätzung eines Sachverständigen durchaus eine "fatalistische Lebenseinstellung" entstanden sein nach dem Motto, dass er ohnehin nichts zu verlieren habe. Hat er aber doch, und so äußerte sich der Solinger auf Anraten seines Verteidigers Marc Francoise gestern auch nur zur Person. Weitere Einlassungen, so der Anwalt gegenüber unserer Zeitung, hingen vom Aussageverhalten der anderen Angeklagten ab. Francoise kritisierte in diesem Zusammenhang die Polizei, bei der sein Mandant gestand: "Er wurde als Behinderter über Stunden verhört." Am Freitag wird sich die Freundin des Enkels einlassen, die sich zurzeit in Therapie befindet.

(RP)
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