Solingen Das quadratische Brett ist seine Welt

Solingen · Bernd Schneider feierte einst große Erfolge als Profi-Schachspieler. Inzwischen ist er Europas größter Händler von Büchern über den Denksport. Allein in Deutschland gibt es rund 100.000 aktive Schachspieler.

 Jede Woche stellt Bernd Schneider 250 Bücher ins Internet ein, die er von überall her bekommen hat.

Jede Woche stellt Bernd Schneider 250 Bücher ins Internet ein, die er von überall her bekommen hat.

Foto: Stephan Köhlen

Zwei hohe Bücherstapel liegen auf dem Tisch im Büro. "Die Schachuhr läuft - Ihr Zug bitte", ist auf einem Buchrücken zu lesen, auf einem anderem kündigt Schachmeister Savielly Tartakower auf englisch Berichte über seine größten Spiele an. "Kürzlich habe ich nach der Auflösung einer Sammlung 65 Bananenkisten voll mit Büchern aus Oberbayern mitgebracht", erzählt Bernd Schneider. Neben seiner Immobilienfirma betreibt der 50-Jährige den europaweit größten Internethandel für Schachliteratur: Jede Woche stellt er 250 Bücher ein, die er von überall her bekommen hat: "Da gibt es Wohnungsauflösungen nach Todesfällen, andere verkaufen ihre Bücher aus Geld- oder Platzmangel, und wieder andere haben das Schachspielen aufgegeben und wollen nicht, dass ihre Erben die Bücher wegwerfen", erzählt er.

Abnehmer hat Schneider wie Sand am Meer: Schließlich gibt es allein in Deutschland rund 100.000 aktive Schachspieler, die sich strategisch weiterbilden wollen. Hinzu kommen noch Interessenten an Biografien großer Meister und an der Geschichte des Denksports. Auch in den Niederlanden, Österreich und sogar den USA hat Schneider Kunden. Dieses finanzielle Standbein liegt beim Solinger nahe, schließlich ist er selbst ein überaus erfolgreicher Vertreter seiner Zunft: Schneider errang am Brett elf deutsche Meisterschaften sowie mehr als 120 Titel auf Verbands-, Bezirks- oder Stadtebene. 1988 wurde er deutscher Einzelmeister und holte im selben Jahr mit der Deutschen Nationalmannschaft den traditionellen Mitropacup. Mit der SG Solingen 1868 errang er 1990 den Europapokal. "Im Finale gegen Moskau damals waren 1500 Menschen bei uns in der Sparkassen-Halle", schwärmt Schneider.

Zu seinen Teamkollegen gehörte auch die sowjetische Legende Boris Spasski. Dessen Duell mit dem US-Amerikaner Bobby Fischer wird im kürzlich veröffentlichten Spielfilm "Bauernopfer" thematisiert. Die Figur Fischers sei auf der Leinwand deutlich überzeichnet, moniert Schneider, der mit Spasski auch über dessen legendäres WM-Match von 1972 sprach.

Nach seinen größten Erfolgen wechselte Bernd Schneider Anfang der 90er Jahre von der SG Solingen ausgerechnet zum Lokalrivalen Aljechin und gehörte schließlich zu den Initiatoren der Fusion beider Clubs. Heute ist er noch als Mannschaftsspieler in einem Bochumer Verein aktiv. Sehr gefreut hat ihn der Gewinn der Deutschen Meisterschaft durch seinen früheren Solinger Verein im vergangenen Monat. Viele Heimspiele auf dem Weg zum Titelgewinn der SG Solingen hat er vor Ort gesehen. Die Stimmung an den Spielstätten sei allerdings insgesamt nicht mehr wie früher, berichtet Schneider. Die Möglichkeit, Wettkämpfe live im Internet zu verfolgen, habe das Vereinsleben verändert. Das Interesse am Denksport sei jedoch ungebrochen - was auch die rege Nachfrage nach den Schachbüchern bestätigt.

Er selbst hingegen habe das Schachspiel nicht über Bücher erlernt, sondern gewissermaßen "auf der Straße", verrät er: "An den öffentlichen Schachbrettern am Mühlenhof habe ich das kennengelernt, indem ich zugeguckt habe", erzählt Schneider. Ursprünglich hatte der Fan von Bundesligist Borussia Mönchengladbach eigentlich Fußball gespielt - bis ein Freund ihm die Schachregeln erklärte. "Sein Bruder", erinnert sich Bernd Schneider mit einem Schmunzeln, "sagte damals zu mir: Das Spiel wirst Du nie lernen."

(ied)
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