Solingen Bühnentanz als echter Jungbrunnen

Solingen · Das Solinger Tanztheater 55+ bringt am 27. Februar seine erste Inszenierung "Zerberus oder was wurde eigentlich aus Eurydike" auf die Bühne des Theater und Konzerthauses. 36 Tänzerinnen und Tänzer bilden das neue Ensemble.

Ein kleiner roter Stuhl steht fast verloren auf der großen Bühne des Pina-Bausch-Saals im Solinger Theater. Plötzlich durchbrechen flirrende Geigenklänge die Stille: Hell gewandete Männer und Frauen strömen aus den Bühnengassen. Sie alle haben weitere Sitzmöbel mitgebracht, die sich am Ende der Szene zu einem gewaltigen Scheiterhaufen auftürmen - und als Requisiten für eine wahrlich beeindruckende Choreografie dienen.

"Ich hätte nie gedacht, was man mit einem Stuhl alles anfangen kann", verrät Britta Stieber, die lange Zeit orientalische Tänze ausübte. Die 55-Jährige ist aktiv beim neuen Solinger Tanztheater 55+. Das hat das städtische Kulturmanagement im vergangenen Jahr gemeinsam mit dem Seniorenbüro und der Bergischen Volkshochschule ins Leben gerufen. Am 27. Februar - nach einer Zeit langer intensiver Proben - wird das Ensemble, dass aus insgesamt 36 Tänzerinnen und Tänzern im Alter bis zu 80 Jahren besteht, dem Publikum seine erste Inszenierung präsentieren.

"Zerberus oder was wurde eigentlich aus Eurydike" spielt mit Motiven der griechischen Orpheus-Sage und gibt den Akteuren viel Raum, sich selbst tänzerisch mitzuteilen - und dabei auch den eigenen Körper noch besser kennenzulernen."Hier stellt man fest, welches Potenzial man eigentlich hat", sagt Ursula Laber (66). "Ich mache seit zwei Jahrzehnten Welt- und israelische Tänze, aber das hier ist ja etwas ganz anderes", betont sie. "Hier kann man sich wirklich weiterentwickeln", ergänzt Carla Voß (63), die ebenfalls seit 20 Jahren tanzt und über die Zeitungslektüre auf das Theaterprojekt aufmerksam wurde.

Auf große Vorerfahrungen kommt es beim Tanztheater 55+ allerdings gar nicht an. "Bei Standardtänzen bringe ich Frauen eigentlich immer zur Weißglut", berichtet Bernhard Dehler. Der 62-jährige Remscheider suchte nach Jahrzehnten in einem technischen Beruf eine kreative Tätigkeit - und fand sie im Tanztheater. "Ich bin froh, dass ich diese Möglichkeit habe, meine Gefühle auszudrücken", sagt er. Vor allem die Freiheit der Gestaltung begeistert ihn. "Die Inszenierung sollte nicht die Kopfgeburt eines Regisseurs sein", erklärt Choreograf Marcus Grolle, der das Projekt mit Unterstützung der Solinger Tänzerin und Schauspielerin Renate Kemperdick leitet. Allen Tänzern gab er die Aufgabe, ein Solo zu entwickeln, in dem sich keine Bewegung wiederholen sollte. Dabei entstanden zu zeitgenössischer und klassischer Musik zahllose phantasievolle Figuren. Lebenslust soll beim Tanztheater 55+ im Vordergrund stehen. "Wenn ich aus irgendeinem Grund traurig hierherkomme, bin ich nach drei Stunden Probe wie ausgewechselt", lobt Ursula Laber die harmonische Probenatmosphäre. "Das Tanztheater", fährt sie fort, "ist für uns ein richtiger Jungbrunnen."

(RP)
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