Solingen Blaues Kreuz beklagt gesellschaftlichen Druck zum Alkoholkonsum

Solingen · Im Schatten der hohen Bäume sitzen die Besucher und lassen es sich bei selbst gebackenem Kuchen und Gegrilltem gut gehen. Manche haben Lose für die Tombola und schauen gespannt nach, ob nicht ein Gewinn dabei ist.

 Sommerfest beim Blauen Kreuz (von links) Sebastian Klapper (mit Promille-Brille), Hartmut Weber und Vorsitzender Willi Klapper.

Sommerfest beim Blauen Kreuz (von links) Sebastian Klapper (mit Promille-Brille), Hartmut Weber und Vorsitzender Willi Klapper.

Foto: Stephan Köhlen

Auf den Tischen stehen ausschließlich alkoholfreie Getränke - sicherlich ein ungewöhnlicher Anblick bei einem Sommerfest. Schnell zeigt sich, dass es keinen Alkohol braucht, um miteinander ins Gespräch zu kommen und sich zu amüsieren.

Zum ersten Mal lud der Ortsverein des Blauen Kreuzes gemeinsam mit dem Zentrum des Blauen Kreuzes zu einem Sommerfest ein. Das weitläufige grüne Gelände rund um die Einrichtung an der Heresbachstraße eignet sich dazu hervorragend. So konnte sogar ein kleiner Paddock aufgestellt werden, in dem zwei Pferde für einem Ritt für die Kinder bereitstanden. "Alle sind eingeladen", betonte Einrichtungsleiter Hartmut Weber, "wir veranstalten dieses Sommerfest in erster Linie, damit die Nachbarn und Interessierten und kennenlernen können."

Vor zwei Jahren hat das Blaue Kreuzes die Einrichtung übernommen. Derzeit leben 16 Menschen im Hauptgebäude und sieben an Außenplätzen. "Es sind Menschen, die den geschützten Rahmen brauchen, um alkoholfrei leben zu können", erklärt Weber. Ziel sei die Wiedereingliederung. Dabei arbeitet die Einrichtung eng mit dem Ortsverein zusammen, der inzwischen 40 Mitglieder hat, die in fünf Selbsthilfegruppen um die 100 Menschen betreuen. Die Tendenz ist weiterhin steigend. "Als ich vor 20 Jahren übernommen habe, gab es nur eine Gruppe", sagt der Vorsitzende Willi Klapper. Aber es ist nicht nur die Zahl der Betroffenen, die steigt, sondern auch der Wandel des Suchtverhaltens, das die haupt- und ehrenamtlichen Helfer vor eine Herausforderung stellt.

Den klassischen Alkoholiker gebe es heute kaum noch, meint Klapper. Heute würden die meisten neben Alkohol noch allerlei andere Rauschmittel, wie Tabletten, Heroin, Haschisch oder synthetische Drogen konsumieren. Auch psychische Krankheiten kämen häufig hinzu. "Es ist eine andere Arbeit. Wir müssen uns darauf einstellen", so Weber. Was Willi Klapper und Hartmut Weber einmütig kritisieren, ist der gesellschaftliche Druck zum Alkoholkonsum, gerade bei Feiern. "Im Alltag kann man erfahren, wie sehr man bedrängt wird", betont Weber, "man muss sich rechtfertigen, wenn man keinen Alkohol trinken will." Hier ist Aufklärung und Sensibilisierung nötig, eine der vielen Aufgaben, der sich das Blaue Kreuz weiterhin stellen wird.

Das Sommerfest war ein guter Anfang. Hier konnten alle Besucher entspannt alkoholfrei feiern und dabei unter Beweis stellen, dass es ihnen an nichts fehlte.

(RP)
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