Solingen Bewegender Abschied vom "Familienbetrieb"

Solingen · Hildegard Hergeth-Steinbach legt nach zwölf Jahren an der Spitze des Weissen Rings ihr Amt nieder.

 Ein Nachfolger von Hildegard Hergeth-Steinbach wird noch gesucht.

Ein Nachfolger von Hildegard Hergeth-Steinbach wird noch gesucht.

Foto: Mak

Bei ihrer Dankesrede musste sie kurz innehalten - ein Kloß im Hals hinderte Hildegard Hergeth-Steinbach offensichtlich vorübergehend daran, weiterzusprechen. Denn ihre Entscheidung, den Vorstand der Solinger Außenstelle des Weissen Rings zu verlassen, dürfte ihr doppelt schwer gefallen sein: zum einen, weil sie den Schritt aus gesundheitlichen Gründen unternahm, zum anderen, weil ihre Aufgabe einen Großteil ihres bisherigen Lebens erfüllte - und das ihrer Familie. "Das ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal unter unseren Außenstellen", sagte Dieter Gawlitta, NRW-Landesvorsitzender des Opferschutzvereins.

Der feiert in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen. Seit knapp über drei Jahrzehnten wiederum gibt es die Solinger Außenstelle - und sie war immer in den Händen derselben Familie: Nach ihrer Gründung leitete zunächst Helmut Hergeth die Geschicke der Einrichtung, seine Tochter Hildegard arbeitete erst als seine Stellvertreterin, um schließlich im Jahr 2004 selbst den Vorsitz zu übernehmen. Auch ihre Mutter und ihr Sohn gehören zu den Mitstreitern in der Initiative, die auf vielfältige Weise Kriminalitätsopfer, sei es von Körperverletzungen, häuslicher Gewalt, Sexualdelikten oder Einbrüchen, unterstützt. "Die galten früher einfach nur als Zeugen einer Straftat", erinnerte Ralf Stetza von der Solinger Außenstelle. Mit körperlichen und seelischen Wunden seien die Leidtragenden von Verbrechern genau so oft allein geblieben wie mit ihren materiellen Ansprüchen.

Der Weisse Ring, zu dessen Gründern auch Fernsehmoderator Eduard Zimmermann ("Aktenzeichen XY ... ungelöst") gehört, habe einen Bewusstseinswandel eingeleitet, den unter anderem auch das Opferschutz- oder das Zeugenschutzgesetz des Deutschen Bundestages dokumentieren.

Der Verein kümmert sich um die Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen, bietet finanzielle Überbrückungshilfen an und leistet den Betroffenen moralischen Beistand. 800 Opfer mit Bedarf materieller Hilfe betreute die Solinger Außenstelle bislang, 200 Fälle nahm Hildegard Hergeth-Steinbach selbst in die Hand. Im Jahr 2008 erhielt sie dafür gemeinsam mit ihrem Vater den Ehrenpreis des Solinger Bündnisses für Toleranz und Zivilcourage. Zu ihrem Ausstand kamen gestern auch Vertreter von Politik, Verwaltung und Polizei ins Restaurant des Wald-Merscheider Turnvereins.

"Sie sind eigentlich unersetzlich", rief Dieter Gawlitta der 61-Jährigen zu. Die wiederum bedankte sich gerührt bei allen Kollegen und Unterstützern: "Wir haben ein Team gebildet, um das uns manch eine andere Außenstelle beneidet hat." Dabei lobte sie auch das Netzwerk für den Opferschutz in Solingen, an dem unter anderem der Verein Hexenkessel und das Frauenhaus mitwirken.

Einen regulären Nachfolger für Hergeth-Steinbach sucht der Weisse Ring noch. Kommissarisch wird Rechtsanwältin Gisela Thoms die Aufgaben übernehmen.

(ied)
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