Solingen Bewährungsstrafe für Salafisten-Anführer

Solingen · Der Organisator der gewalttätigen Islamisten-Demo vom Mai 2012 muss nicht ins Gefängnis. Das Schöffengericht verurteilte Hassan K. zu neun Monaten auf Bewährung. Experten reagierten entsetzt. K. gilt als Drahtzieher der Szene.

Die Verhandlung dauerte nur rund zweieinhalb Stunden. Dann stand das Urteil fest. Der Hauptorganisator der gewalttätigen Salafisten-Demonstration vom 1. Mai 2012 vor dem Rathaus, bei der mehrere Polizisten verletzt wurden, muss nicht hinter Gitter. Das Solinger Schöffengericht verurteilte den 28-jährigen Hassan K. aus dem sauerländischen Hemer gestern Mittag zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten — und der Angeklagte konnte das Gerichtsgebäude an der Goerdelerstraße mit einigen Gesinnungsgenossen wieder als freier Mann verlassen.

Zuvor hatte der nicht vorbestrafte Sauerländer mit türkischen Wurzeln gestanden, am Maifeiertag vergangenen Jahres mit anderen Salafisten Polizisten angegriffen und mit einer Fahnenstange nach den Beamten geschlagen zu haben. Er habe sich seinerzeit von Mohammed-Karikaturen der rechtsradikalen Partei Pro NRW provoziert gefühlt, ließ Hassan K. gleich zu Beginn des Prozesses durch seinen Anwalt ausrichten.

Dabei sei es jedoch nicht sein Ziel gewesen, Gewalt auszuüben. Vielmehr sei die Lage damals vor dem Solinger Rathaus aus dem Ruder gelaufen. "Dass Polizisten verletzt wurden, tut mir Leid", gab der Mann zu Protokoll. Eine Einlassung, der das Gericht glaubte. Zwar habe sich der 28-Jährige an den Krawallen vor dem Rathaus beteiligt, sagte die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung. Gleichzeitig sei ihm aber nicht nachzuweisen, dass er von Anfang an, wie von der Staatsanwaltschaft vermutet, Gewalt im Sinn gehabt habe.

Der Richterspruch rief gestern unterschiedliche Reaktionen hervor. Während der Angeklagte und die anderen radikalen Muslime im Saal, darunter auch der Dortmunder Islamist und ehemalige Linksterrorist Bernhard Falk, ihre Freude kaum verbergen konnten, herrschte in Sicherheitskreisen blankes Entsetzen.

Denn Hassan K. gilt den Behörden als einer der führenden Persönlichkeiten der deutschen Salafisten-Szene. Zwar ist der Mann, der früher als Jugendfunktionär der türkisch-islamischen Ditib-Gemeinde in seiner Heimatstadt Hemer arbeitete, selbst nie in einem Lager radikaler Muslime im Nahen Osten gewesen. "Aber er schickt andere. Mit seinen Hasspredigten hetzt er vor allem Jugendliche auf", hieß es gestern aus Sicherheitskreisen.

K., der im Internet als Abu Ibrahim auftritt, kam 2012 nach Solingen und avancierte in der hiesigen Salafisten-Szene schnell zu einem Rädelsführer. Dabei fungierte der Sauerländer spätestens nach dem Verschwinden des österreichischen Hasspredigers Mohammed M. aus der damaligen Millatu-Ibrahim-Moschee im Frühjahr des Jahres nach Überzeugung des Staatsschutzes dann als dessen Solinger Statthalter.

In dieser Funktion meldete Hassan K. am Morgen des 1. Mai 2012 bei der Polizei schließlich auch die Gegenkundgebung der Salafisten zu der Demo von Pro NRW an, die am Ende in der Straßenschlacht vor dem Rathaus mündete.

Zwar erinnerten sich mehrere Polizeibeamte später, K. habe schon bei der Anmeldung mit Gewalt gedroht, sollten die Mohammed-Karikaturen gezeigt werden. Doch das reichte dem Gericht gestern nicht für ein härteres Urteil. Immerhin, so die Vorsitzende, sei der Gewaltausbruch von K. nur im unteren Bereich gewesen. Und darüber hinaus habe er die spätere Eskalation zu Beginn der Kundgebung kaum abschätzen können.

Eine Argumentation, der die Deutsche Polizeigewerkschaft nicht zu folgen vermag. Es liege ihm zwar fern, Richterschelte zu betreiben, sagte der NRW-Vorsitzende Erich Rettinghaus unserer Zeitung. Dennoch gehe von dem Richterspruch ein falsches Signal aus. Rettinghaus: "Das Urteil ist aus unserer Sicht zu milde. Wenn Polizisten angegriffen werden, sollte das Strafmaß ausgeschöpft werden."

(RP)
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