Solingen Als Jesus bei der Karfreitagsprozession

Solingen · Erstmals übernimmt in diesem Jahr der Ohligser Francesco Soresi die Rolle von Christus in der Prozession der Missione Cattolica Italiana. Für den 46-Jährigen ein emotionaler Moment.

Der Zeitungsausschnitt von seinem großen Erfolg hängt noch immer an der Wand im Flur, laminiert, damit die Zeit ihm nichts anhaben kann: Mitte April 1991 schoss Francesco Soresi das Siegestor zum 2:1 für Union Solingen in der Verbandsliga. Für einige Momente waren im Stadion alle Blicke auf den Ohligser gerichtet.

Wenn Francesco Soresi am kommenden Freitag die Dornenkrone aufgesetzt, das weiße Gewand angezogen, den roten Umhang umgebunden hat, dann werden wieder die Blicke hunderter Menschen auf ihn gerichtet sein. Dann wird der Ohligser, der schon lange nicht mehr Fußball spielt, zu Jesus, zur Verkörperung des Heilands bei der Karfreitagsprozession der Missione Cattolica Italiana. Dabei ist Soresi, 46 Jahre alt, Vater zweier erwachsener Töchter, sein halbes Leben Mitarbeiter in einer Firma für Oberflächenbeschichtung, eigentlich ein zurückhaltender Typ, einer, der lange nach den richtigen Worten sucht, der eher im Hintergrund bleibt. Und doch war es ihm ein tiefes Bedürfnis an diesem Tag, vor all diese Menschen zu treten: "Mein Glaube kommt von Innen, tief aus meinem Herzen. Schon als Kleinkind hat mir meine Mutter das Glaubensbekenntnis vermittelt. Sie war eine sehr fromme Frau, die im vergangenen Jahr verstorben ist. Für sie möchte ich das Kreuz tragen."

Darauf hat er sich in den vergangenen Wochen vorbereitet: hat viel gebetet, gefastet, war freitags beim Kreuzweg in der Kirche. Ist, unter anderem bei der Generalprobe, den rund ein Kilometer langen Weg abgegangen, den er am Karfreitag gehen wird, von der Jahnkampfbahn bis zum Supermarkt-Parkplatz unweit der Kirche St. Katharina. Und er hat probeweise, auf einigen Metern, bereits das rund 50 Kilo schwere Kreuz getragen. "An diesem Tag, mit meinem Glauben im Herzen, wird das Kreuz aber keine 50 Kilo wiegen", ist Soresi überzeugt.

Der Muskelkater am nächsten Tag, die Blasen an der Schulter, die er davon tragen wird, schrecken ihn nicht.

Vor der Prozession, die um 15 Uhr los geht, will er beten und an seine verstorbene Mutter denken. "Das wird ein sehr emotionaler Tag. Ehre ist ein viel zu kleines Wort für das, was ich empfinde."

Seit rund 30 Jahren richtet die italienische Gemeinde die Prozession aus, etwa 50 Darsteller sind jedes Jahr eingebunden, erzählt Organisator Giovanni Zito. Die Prozession, sagt er, sei ein Schauspiel. "Aber sie soll keine Show sein, das ist uns ganz wichtig." Deshalb achten sie auch darauf, dass die Darsteller dahinter stehen, dass sie aus Überzeugung mitmachen, aus ihrem Glauben heraus. "Und nicht aus dem Wunsch, sich zur Schau zu stellen. Sie sind Zeugen dessen, was Jesus an Karfreitag erlebt hat."

Francesco Soresi nimmt schon seit sechs Jahren als Darsteller an der Prozession teil, trotzdem ist es in diesem Jahr etwas Anderes, etwas Neues. "Natürlich bin ich äußerlich nervös. Aber in meinem Inneren bin ich ganz ruhig, weil ich es aus tiefster Überzeugung mache."

(RP)
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