Serie 24 Stunden - 24 Menschen Alles unter Kontrolle im Heizkraftwerk

Solingen · Udo John leitet eine Frühschicht im städtischen Müllheizkraftwerk. Hier wird 24 Stunden am Tag Müll verbrannt und daraus Strom und Fernwärme produziert. Vier Mann pro Schicht genügen, um die riesige Anlage zu betreiben.

Die Schaltwarte des Müllheizkraftwerkes ist ein klinisch wirkender Raum. In einem Halbkreis, auf Tischen angeordnet, stehen neben- und übereinander zahllose Monitore. Es ist sauber, aufgeräumt und angenehm klimatisiert. Udo John leitet an diesem Morgen um 6 Uhr die Frühschicht. Neben ihm sind nur drei Mitarbeiter nötig, um das riesige Müllheizkraftwerk in Betrieb zu halten: Der Maschinist kümmert sich um die Turbine und die Rauchgasreinigungsanlage, der Heizer um den Kessel und der Kranfahrer um dessen Befüllung. Von der Schaltwarte aus wird das gesamte Müllheizkraftwerk 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche überwacht: die beiden Kessel, die drei Turbinen, der Füllstand des Brennmaterials, die Rauchgasreinigungsanlagen. Mehrere Kameras haben Müllfeuer, Müllbunker und Anlieferung im Blick. Zwei größere Monitore an der Wand überwachen unaufhörlich die Emissionen, die durch den Schornstein gehen, und melden sie in Echtzeit der Bezirksregierung Düsseldorf. Es sind vor allem Kontrolle und Überwachung, die hier geleistet werden.

"Wenn eine Störung auftritt, können wir sie hier lokalisieren", sagt Udo John. Jedes Teil der Anlage kann vom Computer aus angewählt und gesteuert werden. Eine Störung könnte zum Beispiel ein Temperaturabfall im Kessel sein, wenn zu viel feuchter Müll verbrannt wird. "Tagsüber, wenn Müllanlieferungen kommen, läuft die Anlage etwas unruhiger", sagt John. Schließlich ist nie absehbar, wie der Müll beschaffen ist, den ein Müllfahrzeug anliefert: hoher oder niedriger Brennwert, trocken oder feucht.

Zwischen 400 und 500 Tonnen Müll, den vor allem die Müllabfuhr liefert, verbrennt das 1969 in Betrieb genommene Kraftwerk jeden Tag. Durch die Verbrennung des Mülls wird Wasser auf 400 Grad zu Heißdampf erhitzt, der die drei Turbinen antreibt. Generatoren wandeln die Bewegungsenergie in Strom um. So werden jährlich 70000 Megawattstunden Strom und 55000 Megawattstunden Fernwärme gewonnen. Die Fernwärme heizt beispielsweise das städtische Klinikum, das Rathaus, die Klingenhalle oder das Schwimmbad Vogelsang.

Es ist Zeit für einen Rundgang. Udo John setzt seinen Schutzhelm auf und mit dem Fahrstuhl geht es nach oben auf den großen Kessel, der in der Höhe fast das gesamte Gebäude ausfüllt. Ein dezenter Müllgeruch ist hier im Kesselhaus überall präsent, wie auch die Hitze, die der Kessel abstrahlt. Auf 32 Metern oberhalb der Schaltwarte, also über 40 Metern über dem Boden, hält der Aufzug.

Obwohl es an diesem Morgen kühl ist, sind die Temperaturen auf dem Umlaufgitter oberhalb des Kessels schweißtreibend. "Bei Hitze haben wir hier 50 bis 60 Grad", sagt Udo John. Den 62-Jährigen beeindruckt das wahrscheinlich nicht mehr besonders, denn im Müllheizkraftwerk arbeitet er schon 26 Jahre. Vorher war der gelernte Kfz-Mechaniker bei der Bundeswehr, bildete sich zum Schiffsbetriebstechniker fort und fuhr zur See.

Auch wenn die Schaltwarte der Ort ist, an dem sich Udo John während der Arbeit zumeist aufhält, sind solche Rundgänge unverzichtbar. "Undichtigkeiten sieht man nicht vom Monitor", sagt er. Über viele Treppen geht es immer weiter hinab wieder nach unten. Dort gibt ein kleines Sichtfenster den Blick in den Kessel frei, in dem bei etwa 1000 Grad leuchtend gelb-orange der Müll verbrennt, ganz von allein und ohne Zugabe von Brennstoffen. Was übrig bleibt, die Schlacke, findet im Baugewerbe Verwendung.

Noch ein kurzer Gang zum Kranführer. Der direkte Weg dorthin führt am Müllbunker vorbei, an dem die Müllfahrzeuge entleert werden. Durch die Gärung der Abfälle liegt ein durchdringender, strenger Geruch in der Bunker-Luft. Da aber die zur Verbrennung notwendige Luft direkt aus dem Müllbunker abgesaugt wird, dringt nichts davon nach außen. Der Kranführer sitzt in seiner geschlossenen Kanzel direkt über den Müllbunkern und befüllt die Kessel mit Brennstoff. Gut eineinhalb Tonnen Müll auf einmal kann er mit dem Greifer bewegen.

Es ist 7 Uhr. Udo John beendet den Rundgang und kehrt an seinen Platz in der Schaltwarte zurück. "Nach Möglichkeit sollte sich unsere Arbeit auf die Kontrolle der laufenden Prozesse beschränken", sagt er. Aber er ist lang genug dabei um zu wissen: In einem 24-Stundenbetrieb vergeht kein Tag ohne verschleißbedingte Ereignisse, die mit den Kollegen von der Instandhaltung bewältigt werden müssen.

(bjd)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort