Solingen Aktionskunst: Kaffeebohne - im Rausch "gezeugt"

Solingen · Wieder tut sich was im Ladenlokal an der Friedrich-Ebert-Straße 126. Seit sieben Wochen ist es Schauplatz des Aktionsprojekts "Sieben Todsünden": Laiendarsteller und Schauspielprofis setzen sie Woche für Woche in 20-minütigen Performances in Szene - als bewegte Momente zu großformatigen, kunstvoll bearbeiteten Fotoobjekten von Saskia Clemens, die jetzt erstmals alle 7, an den Wänden positioniert auf Staffeleien, zu sehen sind.

Julian Kartmann, Schauspielstudent aus Köln, hat alle Hände voll zu tun, das Highlight des Projektes vorzubereiten. Er ist Regisseur und Mitakteur in einem, freut sich "auf einen Act mit kreativer Improvisation". Barfuß, im Kunstpelz, stellt er Sound ein, rückt Requisiten zurecht. Auf dem Boden: 14 Kaffeetassen, zwei angebrochene Pizzen, Pinsel, Wasserfarben und ein Bogen Papier. Sein Kompagnon Kelvin Burkhardt trifft nun auch ein, jetzt füllt sich der Laden. Die Stimmung ist top. Manfred Hahn, Initiator des Aktionsprojekts, kommt aus seinem gegenüberliegenden Weinhandel, begrüßt die Gäste, dann geht's zur Sache. "Völlerei" ist angesagt - im Walder Projekt das siebte und letzte der Hauptlaster. Beide Schauspieler knien hin vor den Tassen, beginnen eine Kaffeebohne zu malen, es folgen die ersten Schlucke Kaffee - und dann geben sie Gas. Werden immer schneller, trinken, essen, malen, bis alles in einer wahnwitzigen Bewegung kulminiert.

Zum konfusen Finale werden die letzten Pinselstriche mit Kaffeesatz dahingeworfen - dann ist der Spuk vorbei. Die Akteure halten ihr Meisterwerk in die Höhe. Der Völlerei folgt der Fieberwahn der Auktion: Fünf, sechs, acht - 15 zum ersten, zweiten, dritten! Für fünfzehn Euronen geht die im Kaffeerausch gezeugte Bohne, ein markantes Objekt der Aktionskunst von fast Beuysscher Tiefe, an die Frau.

Mit Schwung, Witz und Ironie hat man in der letzten Performance der "Todsünden" den Kern dessen, was Völlerei ausmacht, auf den Punkt gebracht. Um anschließend in Hahns Laden das Gegenteil dessen zu zelebrieren - Weingenuss bei Brot mit Aufstrich und angenehmem Gespräch. Genau das sollte erreicht werden.

Mit den Happenings wollte Hahn das "Problem der leerstehenden Ladenlokale in Wald positiv ins Bewusstsein rücken und zeigen, was man auf unkonventionelle Weise erreichen kann." Um dabei zugleich "die kulturelle Identität Walds zu fördern." Das Projekt ist toll gelaufen. Hahn: "Was mich freut, ist der Grad der Aufmerksamkeit insgesamt. Es hat schöne, konstruktive Gespräche gegeben, die Stimmung war gut." Die Performances waren für Saskia Clemens eine Weiterentwicklung ihrer 2013 nach aufwändiger Vorbereitung erstellten Fotografien. Mit dem Todsünden-Projekt will es Hahn nicht bewenden lassen.

Am 9. Juni erlebt das 1. Walder Schaufensterkonzert seine Premiere. Im Schaufenster eines leerstehenden Ladenlokals wird eine Dortmunder Band Songs aus eigener Feder präsentieren. "Leerstände", so Hahn, "kann man bejammern und als unabänderlich hinnehmen. Aber ist es nicht viel besser, etwas gegen die daraus entstehende schlechte Stimmung zu tun?"

(sto)
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