Rommerskirchen 300 arme Senioren in der Gemeinde

Rommerskirchen · Viele ältere Menschen nehmen in Rommerskirchen aus Scham keine Unterstützung von Staat und Tafel in Anspruch.

 Aus verschiedenen Blickwinkeln kommen Heike Hendrich, Anja Hauser (beide Tafel) und Demografiebeauftragter Albert Glöckner zum selben Schluss: Gesetzliche Ansprüche oder Tafel-Angebote würden aus Scham nicht angenommen.

Aus verschiedenen Blickwinkeln kommen Heike Hendrich, Anja Hauser (beide Tafel) und Demografiebeauftragter Albert Glöckner zum selben Schluss: Gesetzliche Ansprüche oder Tafel-Angebote würden aus Scham nicht angenommen.

Foto: Tinter; Anja (ati)

Dass die Bevölkerung im Schnitt immer älter wird, ist ein seit Jahren bekannter Trend. Dass sich dadurch auch das Phänomen der Altersarmut deutlich verstärkt, gilt auch für Rommerskirchen. Der frühere Bürgermeister Albert Glöckner war selbst unangenehm überrascht, als er sich etwas näher mit der Thematik beschäftigte. Seiner Berechnung zufolge müsste es in der Gemeinde gut 300 Menschen geben, die Anspruch auf eine Grundsicherung im Alter hätten. De facto sind es aktuell jedoch lediglich 65, wie gestern die stellvertretende Ratshaussprecherin Bele Hoppe nach Rücksprache mit dem Sozialamt sagte.

"Es rollt eine Lawine der Altersarmut auf uns zu", zitierte Glöckner gestern Abend im Rat den Paritätischen Gesamtverband. Der hatte zu Monatsbeginn darauf hingewiesen, dass "in den nächsten zehn bis 15 Jahren immer mehr Menschen ohne hinreichende Rentenansprüche das Rentenalter erreichen". Eine Ursache ist das zunehmend sinkende Rentenniveau.

Unabhängig von konkreten Zahlen kann Heike Hendrich, Vorsitzende der Rommerskirchener Tafel, Glöckners Ausführungen zur aus Scham verschwiegenen Altersarmut nur bestätigen: "Im vergangenen Jahr ist die Zahl älterer Kunden gestiegen. Mit Sicherheit sind es aber ganz viele, die sich nicht zu uns trauen", sagt sie. Selbst wenn sich ältere Menschen entschlössen, zur Tafel zu kommen, stünden sie zuweilen doch unschlüssig vor deren Eingang an der Bahnstraße und müssten buchstäblich "an die Hand genommen und hineingeführt werden", beschreibt sie eine desöfteren gemachte Beobachtung. Ihr zufolge handelt es sich dabei vielfach um Frauen, die nur eine kleine Witwenrente bezögen und ansonsten über kein Eigentum verfügten.

So wichtig das Thema ist, Altersarmut war lediglich ein Aspekt, den Albert Glöckner gestern Abend anschnitt. 14 Monate nach seiner offiziellen Verabschiedung als Bürgermeister meldete er sich als neuer Demografiebeauftragter zu Wort und kam dabei zu pointierten Schlüssen: "Von der Wachstumsgemeinde Rommerskirchen können wir uns verabschieden. 14 000 Einwohner wird es nicht geben. Wenn wir stabil bei 12 500 blieben, wäre schon viel erreicht", sagte Glöckner. Um diese Einwohnerzahl zu halten, bedürfe es weiterer Bautätigkeit. "Ohne Baugebiete blättert es sofort ab", betonte der Ex-Bürgermeister. Hieraus sollte ihm zufolge auch der Rat seine Konsequenzen ziehen. Nötig ist laut Albert Glöckner ein "Ratsbeschluss, wie viel Ansiedlungsmöglichkeiten in jedem Ort geschaffen werden sollen".

Mit dem demografischen Wandel beschäftigt sich Glöckner nicht erst, seit er im Ruhestand ist. Zumindest in den letzten beiden Jahren seiner Amtszeit als Bürgermeister hatte er in etlichen Reden die stark veränderte Einwohnerstruktur angesprochen. Bereits seit Herbst 2014 arbeitet er in einer Arbeitsgruppe der Stadt Dormagen mit, die sich den aus dem demografischen Wandel entstehenden Aufgaben widmet.

(NGZ)
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