Rheinberg Weihnachtsfest im Ersten Weltkrieg

Rheinberg · Anja Rupprechts Buch "Als der Krieg nach Rheinberg kam" nimmt die Leser mit auf eine faszinierende Zeitreise.

 Irgendwo an der Fron treffen sich die Gefreiten Peter Königs und Franz Irenes aus Rheinberg (li.). Sie senden "die besten Grüße in die Heimat und wünschen allen Lieben daheim ein recht glückliches Weihnachtsfest. Auf Wiedersehen".

Irgendwo an der Fron treffen sich die Gefreiten Peter Königs und Franz Irenes aus Rheinberg (li.). Sie senden "die besten Grüße in die Heimat und wünschen allen Lieben daheim ein recht glückliches Weihnachtsfest. Auf Wiedersehen".

Foto: privat, Fischer

Weihnachten fällt nicht ins Wasser. Kann gar nicht, steht schließlich im Kalender. Aber ob den Rheinbergern zum Feiern zumute war, damals, vor 100 Jahren? Wohl kaum. Die Euphorie der ersten Kriegsweihnacht 1914 war verflogen und Schmalhans Küchenmeister. Nur trockene Brösel auf dem Teller, keine leckeren Süßigkeiten. Die Verwendung von Milch, Fett und vor allem Sahne war verboten. Amtlich, mit Brief und Siegel. "Die Verabfolgung von Sahne", heißt es in einer Meldung des Landrates, "ist nur auf amtsärztliche Anordnung und beim Vorliegen eines unabweislichen Bedürfnisses zu gestatten." Es ist Weihnachten 1915, die zweite Kriegsweihnacht, und die Rheinberger merken, dass dieser Krieg nicht nur an der Front geführt wird.

"Die Menschen waren einfach froh, wenn ihre Familien bislang keine Verluste erleben mussten", sagt Anja Rupprecht. Sie ist die Autorin des Buches "Als der Krieg nach Rheinberg kam", das den Leser mitnimmt auf eine faszinierende Zeitreise in die Jahre 1914 bis 1918. Faszinierend für Menschen aus Rheinberg und Umgebung, weil sie hier Geschichte aus der Stadt und ihren Ortsteilen hautnah erleben können, weil sie die Orte und die Namen kennen, weil Geschichte hier wegen der Nähe lebendig wird. Ein ideales Weihnachtsgeschenk, doch wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist, muss sich beeilen, da die erste Auflage fast vergriffen ist.

Was passiert vor 100 Jahren, im Dezember 1915 in der kleinen Stadt am Rhein? Die Damen des Vaterländischen Frauenvereins sind fleißig, mehr als 400 Pakete haben sie für die Soldaten im Feld auf den Weg gebracht. Wer im Vereinslazarett liegt, darf sich ebenfalls über ein Päckchen freuen. Und über einen Besuch vom Nikolaus, der die Gaben höchstpersönlich abliefert. Die Landwirte werden aufgefordert, ihre Schweine zu mästen. Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln? Denn noch vor wenigen Monaten hieß es: "Alle unnützen Fresser sind zu beseitigen." Dazu gehörten auch die Schweine, die massenhaft abgeschlachtet wurden. Jetzt fehlen im Deutschen Reich aber Öle und Fette. Und "von einem fröhlichen Zusammentreffen in Feindesland senden die herzlichsten Grüße in die Heimat: Unteroffizier Johannes Polm, Wehrmann Hermann Polm, Wehrmann Adam Hußmann, Pfleger Wilhelm Hoppmann".

52 Monate dauerte der Erste Weltkrieg, 52 Kapitel hat das Buch, jeweils einem Monat gewidmet. Darin verbindet Anja Rupprecht gleich drei Erzählstränge: Das Geschehen vor Ort, die Werbeanzeigen der Rheinberger Kaufleute, die ebenfalls auf ihre besondere Art und Weise vom Alltag im Krieg erzählen ("Elektrische Taschenlampen, schönste Weihnachtsgabe für unsere Krieger empfiehlt Franz Brauer, Rheinberg"), und die Feldpostkarten, die der Alpener Hermann Finke geschrieben hat. Rund 200 von diesen Postkarten hatte Finkes Enkelin der Autorin zur Verfügung gestellt. Es sind kleine, liebevolle Nachrichten an seine Frau, die auch deshalb so be- und anrühren, weil sie authentisch sind. Im Dezember 1915 ist Finke an der Front in Russland, leidet unter der Kälte und bittet seine Frau, ihm "viel zum schmieren zu schicken, damit ich nicht soviel trocken Brot essen brauche, denn Du kannst Dir gar nicht denken, wie Hunger weh tut..." Wahrscheinlich konnte seine Frau sich das durchaus vorstellen, da nur ein Jahr später Steckrüben zum wichtigsten Nahrungsmittel in der Heimat werden würden.

Das Buch gibt es zum Preis von 16,95 Euro in allen Rheinberger Geschäftsstellen der Sparkasse am Niederrhein sowie im Stadtarchiv Rheinberg.

(RP)
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