Alpen Suche nach einem Stück "Welterbe"

Alpen · Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege hat Acker bei Drüpt/Borth nach Spuren der Römer untersuchen lassen.

 Wissenschaft braucht bisweilen Muskelkraft: „Geomagnetische Prospektion“ heißt das Verfahren mit, dem Wissenschaftler das Gelände nach historischen relikten absuchen, ohne in die Tiefe zu graben. Geophysiker Dr. Martin Waldöhr ist mit einer speziellen Konstruktion auf der Schulter den abgeernteten Acker abgeschritten. Die Auswertung der Daten erfolgt am Computer.

Wissenschaft braucht bisweilen Muskelkraft: „Geomagnetische Prospektion“ heißt das Verfahren mit, dem Wissenschaftler das Gelände nach historischen relikten absuchen, ohne in die Tiefe zu graben. Geophysiker Dr. Martin Waldöhr ist mit einer speziellen Konstruktion auf der Schulter den abgeernteten Acker abgeschritten. Die Auswertung der Daten erfolgt am Computer.

Foto: Olaf Ostermann

Der geneigte Autofahrer auf der Xantener Straße in Höhe Drüpt/Borth - wenn er denn seinen Blick nach rechts oder links abschweifen ließ, geriet fortan ins Grübeln, was er da auf dem abgeernteten Acker sah. In einem großen mit roten Pfählen markierten Rechteck Viereck schritt ein sportiver Mann mit einer merkwürdigen Apparatur auf seinen Schultern die Fläche ab, auf der sich nach der Ernte zartes Grün sich wieder des braunen Bodens ermächtigt hatte. Ganz offenbar führte der Mann mit Wollmütze das rätselhafte Gestänge mit raumgreifenden Schritten über das abgesteckte Feld.

Was so futuristisch fremd aussah, entpuppte sich bei näherem Hinsehen als der Versuch, mit hochmoderner Technik in eine weit entfernte, verborgene Vergangenheit zu blicken. Dr. Martin Waldöhr vom Büro www.terrana-geophysik.de hat sich hier nämlich auf diesem Fleckchen niederrheinischer Erde auf die Suche nach möglicherweise noch hier vorhandenen Spuren römischer Soldaten begeben.

Das eigenartige Gerät hilft dem Wissenschaftler mittels "geomagnetischer Prospektion" ins Erdreich zu gucken. Die Messungen fügen sich hinterher am Computer zu einem relativ genauen Bild über das, was sich hier auf der heutigen Grenze zwischen Rheinberg und Alpen vor fast 2000 Jahren abgespielt hat oder eben auch nicht - Archäologie ganz ohne Graben.

Nicht ganz: An einer ausgesuchten Stelle grub sich zusätzlich ein Kleinbagger in den feuchten Boden: "Ein kleiner, gezielter chirurgischer Eingriff", erläuterte Steve Bödecker vom Amt für Bodendenkmalpflege des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) in Bonn.

Das ist Auftraggeber der historischen Schatzsuche. Das Amt für Bodendenkmalpflege erforscht seit zehn Jahren infrage kommende Fundplätze. Sein Amt, so Steve Bödecker, verfolge das ehrgeizige Ziel, den so genannten Niedergermanischen Limes in den Rang des Welterbes der Unesco zu erheben - es wäre das sechste in NRW. Dazu braucht's profunde Argumente.

Die vermutet das Amt eben auch zwischen Alpen und Rheinberg. "Luftbilder lassen vermuten, dass es hier Zeugnisse von römischen Militärbewegungen gibt", so Bödecker im RP-Gespräch. Um das Projekt voranzutreiben hat das NRW-Bauministerium allein für dieses Jahr mehr als 100 000 Euro zur Verfügung gestellt.

Die Grenze des römischen Imperiums gilt als das größte lineare Denkmal Europas. Zwischen Vinxtbach in Rheinland Pfalz und der Nordseeküste bei Katwijk bildete der Niedergermanische Limes (limes = lat. Grenze) einen wesentlichen Bestandteil der Grenze: Entlang des antiken Rheinufers reihten sich die Standorte des niedergermanischen Heeres 385 Kilometer Länge. Dabei kam dem etwa 220 Kilometer langen Abschnitt im heutigen Rheinland zentrale Bedeutung zu.

Die Römer mussten entlang des Rheins keine Wallanlagen errichten, weil der Fluss für feindliche Verbände bereits ein großes Hindernis ("nasser Limes") war. Sie legten daher Legionslager und Kastelle in direkter Nähe zum Strom an. Wie an einer Perlenkette aufgereiht, bildeten die Militäreinrichtungen ein sich geschlossenes System.

In NRW können inzwischen 19 Kommunen hochrangige Fundplätze vorweisen, die alle Arten militärischer Anlagen belegen - vom Wachturm bis zum riesigen Legionen-Lager. Am unteren Niederrhein sind das Zweilegionenlager Vetera I auf dem Fürstenberg in Birten - das größte Standlager des Römischen Reiches - und rheinabwärts das Reiterlager Burguntium bei Kalkar die bekanntesten. Nun vermuten die Archäologen Spuren eines Übungslagers in Drüpt - "eine kleine Sensation". Die Auswertung der geomagnetischen Inspektion steht noch aus. Steve Bödecker ist sich nach der Suchsondierung zwar sicher, dass hier mal römische Gebäude gestanden haben. "Aber dieser Acker ist wohl sehr fundarm" - ein Indiz dafür, dass sich die römischen Soldaten hier einst nur kurz aufgehalten haben.

Welterbenstatus haben bereits der Adrians- und Antoniuswall in Großbritannien und auch der Obergermanische Limes in Deutschland. Die Anerkennung des Abschnittes Niedergermanischer Limes als Welterbe wäre somit "ein wichtiger Lückenschluss", sagt Projektleiter Steven Bödecker. Bis 2020 soll das historische Projekt abgeschlossen und der Landstrich Drüpt als Welterbe geadelt sein.

(RP)
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