Heimat genießen - in Alpen Nur kein Stress: Gans sensibel

Alpen · Dieter Stiers zieht auf seinem Hof in Alpen-Menzelen-West die Tiere groß. Mitte Oktober beginnt die große Bratensaison.

 Heinz Stiers mit seinen Gänsen. Rund 200 leben bei ihm derzeit auf dem Hof - bis am 20. Oktober die Gänsesaison beginnt.

Heinz Stiers mit seinen Gänsen. Rund 200 leben bei ihm derzeit auf dem Hof - bis am 20. Oktober die Gänsesaison beginnt.

Foto: Armin Fischer

Fahrradfahrer pflegen schon mal anzuhalten, Autofahrer vermindern nicht selten plötzlich die Geschwindigkeit. Mitten auf der Bundesstraße. Und alle gucken, staunen, beobachten die weißen Tiere da auf der grünen Weide. Gänse. Gut 200 mögen es sein. Und in diesen Tagen schon richtig gut im Futter. "Am 20. Oktober beginnt die Saison", sagt Heinz Stiers, Landwirt in Menzelen-West und Herr übers oft beäugte Geflügel. Denn dann kommt sie - die Gänsebraten-Zeit.

Was für Anlieger bisweilen eine Last ist, ist für Stiers ein Segen: Die viel befahrene B 57 ist zwar richtig laut. Die "Niederrhein-Route" hinauf nach Kleve bedeutet für den 56-Jährigen aber bares Geld. "Unsere Kundschaft kommt aus Orten weit im Ruhrgebiet." Die meisten sind Ausflügler, die "im Vorbeifahren" schon in den Sommermonaten ihre Martins- oder Weihnachtsgans bestellen.

Mitte der 90er Jahre hatte sich Stiers entscheiden müssen, wie es mit dem elterlichen Hof weitergehen könnte. Das war ein typischer Mischbetrieb mit Tieren und Feldern, der mehr Arbeit als Profit machte", erinnert sich der gelernte Landwirt. Damals war die Direktvermarktung im Kommen. Stiers machte mit. Und weder er noch seine Frau Maria, die meist im Hofladen hinter der Theke steht, haben es bis heute bereut.

Wobei die Gänse das sichtbare Aushängeschild sind. Wenn die Tiere Mitte Mai etwa vier Wochen alt sind, kommen sie vom Geflügelhof Schellenberger in Kalkar auf die Weide an der Xantener Straße in Menzelen-West. Hier bilden sie dann ihren Rahmen aus - allein durchs Grasfutter. "Zu früh darf man nicht zufüttern, dann bleiben die Tiere klein und werden pummelig", sagt Stiers. Zusätzlichen Weizen gibt es denn auch erst später. Und ab Mitte August kommt dann auch noch Mais hinzu - alles von den Feldern hinterm Haus.

Auch mit Brot hat Stiers es schon mal versucht. "Aber dann kommen die Saatkrähen und Dohlen, und das gefällt den sensiblen Tieren gar nicht." Genau so wenig wie der Besuch der Füchse, die allerdings längst nicht mehr Staatsfeind Nummer eins sind. Das sind die heimisch gewordenen Wildgänse, die Krankheiten einschleppen können.

Im vergangenen Jahr verfügte das Veterinäramt daraufhin die Einstallungspflicht. "Und das mögen Gänse erst recht nicht", so Stiers. Wieder fällt das Wort sensibel: "Im Stall fressen sie dann mindestens eine Woche lang gar nicht, und sie trinken auch wenig." Dass die Tiere abnehmen, ist aber gar nicht im Sinne des Gänsevaters, der seine Tiere von einem Anfangsgewicht von etwa 800 Gramm bis auf im Durchschnitt vier bis fünf Kilogramm aufpäppelt.

Und dann fällt das Wort sensibel zum dritten Mal: Unruhe ist nicht gut für die Vögel. Und das betrifft auch und gerade die Schlachtzeit. Da treibt Stiers dann die Tiere je nach Bedarf in kleinen Gruppen von gut zwei Dutzend Tieren hinters Haus - weg aus dem Blickfeld der anderen Vögel. Dann darf sich das Federvieh wieder beruhigen. Erst mal . . .

Denn bis Weihnachten heißt es dann auf dem Gänsehof: "Alles muss raus." Die Haltung ist ein Saisongeschäft. Stiers vergleicht sie mit einem Tannenbaum: "Nach Weihnachten will die auch niemand mehr."

Ähnlich verhält es sich mit Flugenten, die direkt neben den Gänsen heranwachsen und wesentlich pflegeleichter sind: "Wenn ich da ein Tier raushole, gucken die anderem nicht mal hinterher." Gleichwohl: Viele Kunden mögen Enten lieber. Die Tiere sind weniger fett und bei einem Schlachtgewicht von zwei bis 3,5 Kilogramm der männlichen Tiere beziehungsweise 1,8 bis zwei Kilo der weiblichen auch für kleinere Familien geeignet.

Apropos Fleisch: Auch eine Mutterkuh-Herde grast friedlich hinterm Haus. Mittendrin ein kräftiger Bulle, der im Natursprung für Nachwuchs unter den Limousin-Rindern sorgt. Auch diese Tiere sorgen für eine gut gefüllte Theke im Bauernladen, in dem es von Ende Februar bis in den Mai hinein eine weitere saisonale Spezialität gibt: Eier - natürlich von Gänsen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort