Rheinberg Kabarett - mehr als nur ein Fußballspiel

Rheinberg · Das Ensemble des Düsseldorfer "Kom(m)ödchens" überzeugte in der Rheinberger Stadthalle mit einem brillanten Programm über deutsche Mentalität.

 "Deutschland gucken": Das Kom(m)ödchen-Ensemble begeisterte das Publikum in der Rheinberger Stadthalle mit seinem Kabarett-Programm über die deutsche Mentalität.

"Deutschland gucken": Das Kom(m)ödchen-Ensemble begeisterte das Publikum in der Rheinberger Stadthalle mit seinem Kabarett-Programm über die deutsche Mentalität.

Foto: Armin Fischer

Schon der Titel des "Kom(m)ödchen"-Programms verriet seine gesamte Doppelbödigkeit: "Deutschland gucken." Das tat das Ensemble um Daniel Graf, Heiko Seidel, Martin Maier-Bode und Maike Kühl in der Rheinberger Stadthalle zweieinhalb Stunden lang mit viel Spaß am Spiel und Lust an der politischen Aktualität.

Drei grundverschiedene Männer - der frühere Buchlektor und Gesellschaftsverweigerer Lutz (Daniel Graf), der von Familie und der Arbeit als Industriemensch arbeitende Dieter (Martin Maier-Bode) und der fast überkandidelte reiche Erbe Bodo (Heiko Seidel) - treffen sich in der reichlich abgefrickelten Bude von Lutz regelmäßig zum Fußballgucken, lästern über Podolski und grölen gegen Holland ("Orange trägt bei uns nur die Müllabfuhr") mit Flaschenbier in der Hand. Diese "Männeridylle" wird diesmal aber empfindlich gestört, als Bodo seine Freundin Solveig (Maike Kühl), eine in Schweden geborene Veganerin mit Naturtick, unvermittelt mit anschleppt. Und die will auch noch eine arte-Filmdokumentation über fußballguckende Deutsche drehen ("Fußball - I love it"), womit die beiden anderen Männer zunächst nicht einverstanden sind.

Als sich die Scheu vor der Kamera legt und Lutz den Gedanken an ein "Kettensägenmassaker" verworfen hat, nimmt das Stück so richtig Fahrt auf, prallen die unterschiedlichen politischen Ansichten der Charaktere - und die aktuellen politischen Philosophien von Deutschsein - aufeinander.

Ob man nun ein "Nationalist" oder ein herzlicher Nationalist ist wenn man eine "Deutschland"- Fahne schwenkt ("Du siehst aus, als kämst du von einer Pegida-Demo"), der "Willkommenskultur" und "Obergrenzen" ("Meine Obergrenze heißt Seehofer") , dem Auftauchen der Afd ("ADHS als Partei") oder dem Aufsaugen aller guten Eigenschaften anderen Kulturen in die eigene - alle diese Fragen wirft das Ensemble auf. Und es besingt in einer Samba die Deutschen als "die wahren Brasilianer mit deutscher Gründlichkeit" . Daneben werden in die schwungvolle Kabarett-Komödie immer wieder neue aberwitzige Situationen eingebaut - wie Bodos Plan, Solveig über ein Stichwort-Kommentar von Tom Bartels im Fernsehgerät (das aber keinen Ton hat) einen romantischen Heiratsantrag zu machen mit einer "bulgarischen Hochzeitsband" im Hinterhof, die aber mehrfach verfrüht loslegt und so für Verwirrung sorgt. Oder das Ensemble spielt ein "Integrations-Kasperletheater" und beamt sich und die Zuschauer mit einer fantasiereichen Kostümierung in die 70er-Hippiezeit zurück. Ein kanadischer Bär rezitiert Heine und treibt Solveig die Naturromantik aus. Und wenn das Quartett rund um die Welt reist, um Dieter einen Auftrag seiner Firma zu retten, ist der Wahnsinn nicht mehr aufzuhalten. Daneben heißt es "Gelobt seien die Menschen in der Provinz" - mit direktem lokalen Bezug ("Alt - das trinken nur Vollprolls aus Moers).

Bei so viel Aberwitz kommt in den Dialogen dann auch noch die Selbstironie nicht zu kurz: "Warum ziehst du dich dauernd um?", fragt der eine. "Na, ich hab das nicht geschrieben", lautet die Antwort. Zum Schluss endet alles da, wo es begann: beim Fußball vor dem Fernseher.

Der tosende Applaus gab eine Ahnung davon, wie gut sich das Publikum an diesem Abend unterhalten gefühlt hat.

(RP)
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