Alpen Gesucht: Menschen, die Hilfe benötigen

Alpen · Sekundarschule führt das Projekt "Vom Mensch zu Mensch" fort. Interesse der Schüler ist größer als die Nachfrage.

 Philipp (links) und Simon sorgen mit dafür, dass Senioren im Pfarrheim St. Ulrich einen schönen Nachmittag verbringen können.

Philipp (links) und Simon sorgen mit dafür, dass Senioren im Pfarrheim St. Ulrich einen schönen Nachmittag verbringen können.

Foto: Bernfried Paus

Simon Rommersberger (17) aus Menzelen und Philipp Krüger (15) aus Veen gehen durch die Reihen und schenken Kaffee ein. Das machen die beiden so routiniert, dass dabei auch immer noch ein freundliches Lächeln und ein nettes Wort für die älteren Damen abfällt. Männer sind beim wöchentlichen Nachmittagstreffen der Altentagesstätte im Pfarrheim St. Ulrich allenfalls Einzelerscheinungen. Die beiden Sekundarschüler gehören seit geraumer Zeit zum Stammpersonal von Maria Burchartz und ihren 16 Helferinnen, die verlässlich dafür sorgen, dass die Senioren mal aus dem Haus kommen und in munterer Runde ein paar gesellige Stunden verbringen können.

Aber nicht nur die älteren Herrschaften freuen sich stets wie Bolle auf die gemeinsame Zeit im Pfarrheim. "Jedes Mal, wenn ein Treffen zu Ende ist, bin ich mit meinen Gedanken schon beim nächsten Mal", sagt Simon. Wie Philipp ist auch er über die Aktion "Von Mensch zu Mensch" dazu gekommen, sich an einem Nachmittag in der Woche in den Dienst von Seniorinnen zu stellen. "Es hat von Anfang an Spaß gemacht", sagt Philipp.

Die Aktion mit dem schönen Namen ist vor neun Jahren aus der Taufe gehoben worden. Initiator war die Dorfwerkstatt Senioren. Die ist 2009 mit ihrer Idee an die Realschule herangetreten, Schüler dazu zu bewegen, Menschen, die sich darüber freuen würden, etwas von ihrer freien Zeit abzugeben. Die Idee zündete. Das Generationen-Modell ist bis heute sehr erfolgreich.

Wie viele Schüler sich in der Vergangenheit freiwillig an der guten Sache beteiligt haben, lässt sich nicht mehr exakt nachvollziehen. Es waren jedenfalls eine ganze Menge - bis zu 20 Schüler pro Jahrgang -, die mit Senioren spazieren gegangen sind, mit ihnen zum Einkaufen waren, ihnen vorgelesen, mit ihnen gespielt oder einfach nur zugehört haben. Als sich nun die Realschule von der bildungspolitischen Landkarte in Alpen verabschiedet hat, hat die Dorfwerkstatt bei der Sekundarschule angeklopft. Schließlich sollten die generationenübergreifenden Begegnungen nicht einfach mit einer Schulform beerdigt werden. "Wir sind auf offene Ohren gestoßen", berichtet Viktor Illenseer von der Dorfwerkstatt.

Schulsozialarbeiterin Nele Dörk war sofort begeistert und erkannte die vielen Chancen, die in so einem sozialen Engagement für Schüler liegen. "Die jungen Leute erweitern dabei ihre soziale Kompetenz, entwickeln Mitgefühl, lernen, sich zurückzunehmen und auf die Bedürfnisse anderer Rücksicht zu nehmen", zählt Dörk auf. Das ist eine ganze Menge.

Damit diese gewonnenen Qualitäten nicht nur im Verborgegen wirken, ergänzt Karl-Heinz Theberath von der Dorfwerkstatt, gebe es am Ende eine Urkunde und einen entsprechenden Vermerk auf dem Abschlusszeugnis. "Das ist hinterher bei der Bewerbung um eine Ausbildungsstelle ganz gewiss nicht von Nachteil", so Theberath.

Karl Julius von der Dorfwerkstatt betont, dass es nicht darum geht, "Hilfe zum Rasenmähen" zu organisieren. "Wichtig ist, dass da jemand kommt, der zuhört", so Julius. Die beiden Schüler aus der Jahrgangsstufe 10 können das nach ihren Erfahrungen nur bestätigen. "Es ist ein gutes Gefühl zu sehen, dass die Menschen Spaß haben und sie sich freuen, wenn sie mal erzählen können", sagt Simon. Philipp findet es "spannend", wenn ältere Leute beispielsweise darüber sprechen, wie sie den Krieg erlebt haben: "Das kann man in keinem Buch lesen."

Die Dankbarkeit, die sie dabei erfahren, so Nele Dörk, sei gelebte Wertschätzung. Bei dem mitmenschlichen Engagement, das viel Ausdauer erfordert, entstehen zwangsläufig Bindungen, die manchmal über die Schulzeit hinaus halten. In einem Fall gehen sie so weit, erzählt Theberath, dass eine Witwe (78) den jungen Mann, der die Realschule längst hinter sich gelassen und ihr damals den Umgang mit dem Computer beigebracht hat, nun adoptieren möchte.

Und auch für Schüler wirkt das Projekt "Von Mensch zu Mensch" lange nach. Simon und Philipp, die beide zu den ersten Absolventen der Sekundarschule gehören werden, jedenfalls sind sicher, dass sie beruflich in die soziale Richtung marschieren, "was mit Menschen" machen möchten.

An Nachfolgern, die bereit sind, in ihre Fußstapfen zu treten, besteht kein Mangel. "Nur es gibt derzeit zu wenige auf der anderen Seite, die Hilfe nachfragen", berichtet Viktor Illenseer. "Es liegt wohl daran, dass sich viele nicht trauen", vermutet er. Illenseer möchte Mut machen, "die Hemmschwelle einfach zu überwinden".

Info: Wer sich für das Hilfsangebot der Schüler interessiert, kann sich an Julius Karl (Tel. 02802 2465), Viktor Illenseeer (Tel. 02802 3746), Karl-Heinz Theberath (Tel. 02802 4072), Ursula Bruckmann (Tel. 02802 2345) oder an die Sekundarschule (Tel. 02802 8008980) wenden.

(bp)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort