Alpen Erst das Abi - jetzt der König von Alpen
Alpen · Nils Markwitz holte um 19.54 Uhr den Vogel von der Stange. Carsten Lommen ging auch beim vierten Anlauf leer aus.
Ein brachialer Volltreffer spaltete den hölzernen Rumpf, der bis dahin jede Menge Wirkungstreffer geschluckt hatte. Da war's 19.54 Uhr. Jubel brach los in der Menge am Schmuhlsberg. Der galt Nils Markwitz, der etwas ungläubig beide Fäuste gen Himmel reckte. Der 19-Jährige konnte kaum fassen, was ihm gerade widerfahren war. Er hatte mit dem 142. Pfeil aus der Armbrust ein gut zweistündiges Duell für sich entschieden und ist neuer König der Junggesellenschützen. Bitter für Carsten Lommen (23), der es auch bei seinem vierten Anlauf nicht auf den Thron geschafft hat. Auch wenn er nach der Gratulation des Siegers schnell aus der Jubeltraube verschwunden war, darf man davon ausgehen, ihn weiter unter den Königsaspiranten zu finden.
"Ich hätte es Carsten auch gegönnt", sagte König Nils, "es war ein tolles Erlebnis. Wir haben beide unser Bestes gegeben. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, gewonnen zu haben." Mindestens so stolz wie der junge Mann, der gerade am Amplonius-Gymnasium in Rheinberg sein Abitur gebaut und vor zehn Jahren als Kinderkönig regiert hat, war sein Vater. Rainer Markwitz hat vor 26 Jahren den Vogel von der Stange geholt. Er hatte mit seinem Filius mitgefiebert, ihm immer wieder Tipps gegeben, wie er die Armbrust anlegen musste, um den von Ralph Lenzen gebauten Vogel zu schwächen. Dabei hatte zunächst der entschlossen wirkende Carsten Lommen, Beamter in der Justizvollzugsanstalt, den etwas besseren Start erwischt, nachdem um 17.50 Uhr der erste Schuss abgefeuert worden war. Erst raubte er um 18.02 Uhr dem weißen Vogel den linken Flügel, nur acht Minuten später mit dem 13. Schuss auch den rechten.
Zwischenzeitlich fielen ein paar Tropfen Regen. Doch der Himmel hielt dicht. Auch wenn der, wie befürchtet, die Schleusen geöffnet hätte, wär' weiter geschossen worden. Das Reglement ist streng. "Könige werden am Berg geboren - nirgendwo anders", so Rolf Bockstegers, Geschäftsführer der Schützen mit fast 340-jähriger Tradition.
Nils Markwitz ist ein Sonnenkönig, auch wenn die Lichtstrahlen nur noch ganz schüchtern durch die Wolken und das Blattwerk drangen. Den Glanz des Augenblicks trübte das nicht. Christof Ullenboom hatte fertig. Er reichte sein schweres Königssilber weiter an seinen jugendlichen Nachfolger, der die vielen Glückwünsche sichtlich gerührt entgegennahm. Unter den Gratulanten war auch Schwester Jana: "Ich hatte befürchtet, dass dieser Tag so enden würde", sagte sie mit einem Augenzwinkern.
Er dauerte, bis sich Judith Angenendt (19) den Weg zum Mann mit der Königskette gebahnt hatte. Er hatte sie im Vorfeld gefragt, ob sie seine Königin werden wolle, falls er den Vogel zur Strecke brächte. "Nach anfänglichem Zögern" hat sie ja gesagt und trug bald die silberne Krone im dunklen Haar. Die ehemalige Gindericherin tritt nun als gekröntes Haupt im Sommer ihren Bundesfreiwilligendienst in einer Ganztagsschule in Walbeck an.