Rheinberg Einblicke in das Gedächtnis der Stadt

Rheinberg · Am bundesweiten "Tag der Archive" waren gestern auch die Räume des Rheinberger Stadtarchivs in der Alten Kellnerei geöffnet. Leiterin Sabine Sweetsir ging auch auf die Ahnenforschung ein.

 Johann Raskopp aus Millingen hat seine Familienchronik bis in das Jahr 1660 recherchiert und suchte Rat. Sabine Sweetsir (stehend) und Mitarbeiterin Friederike Saalfeld waren gerne behilflich.

Johann Raskopp aus Millingen hat seine Familienchronik bis in das Jahr 1660 recherchiert und suchte Rat. Sabine Sweetsir (stehend) und Mitarbeiterin Friederike Saalfeld waren gerne behilflich.

Foto: Armin Fischer

"Ost- beziehungsweise Auslandsflüchtlinge sind aufgerufen, am Sonntag an der Wahl der Flüchtlingsvertreter im Saal der Gaststätte Rötgens teilzunehmen", heißt es auf einem Plakat, dass Besucher gestern am "Tag der Archive" im Stadtarchiv in der Alten Kellnerei besichtigen durften. Die Wahl fand übrigens am 7. Dezember 1947 statt und dort, wo damals eine Gaststätte war, befindet sich heute ein Bettendiscounter. "In Rheinberg landeten nach dem Krieg sehr viele Flüchtlingsfamilien", erklärt Stadtarchivarin Sabine Sweetsir, die den Besuchern bei Führungen die wechselhafte Geschichte Berkas näherbringt.

Eine Stadt, die im 15. Jahrhundert zum Handelsobjekt wurde. "Im Jahre 1421 hat Erzbischof Dietrich die Stadt für 17000 Gulden an Herzog Adolph zu Cleve verkauft, der sie 1449 für 32.000 Gulden weiterverkaufte, weil er Geld für seine Kriege benötigte", erzählt Sweetsir. Neben den Führungen nutzten viele Besucher die Gelegenheit, am Bürger-PC des Stadtarchivs Ahnenforschung zu betreiben. Heirats-, Geburts- und Sterbeurkunden reichen bis in das Jahr 1798 zurück. Nur neuere Eintragungen sucht man vergeblich. "Erst nach 30 Jahren geht der Urkundencharakter verloren und das Dokument darf ins Archiv aufgenommen werden", so Sweetsir. Besonders stolz ist man im Archiv der Stadt auf das kürzlich für 2000 Euro von einem Kölner Antiquar erworbene und restaurierte "Bürgereidbuch", in dem Rheinberger Neubürger verzeichnet wurden. Zum Teil jedenfalls, denn die Bedingungen zur Aufnahme in den edlen Kreis des Bürgertums waren rigoros, weiß die Archivarin: "Es wurden nur Männer aufgenommen. Die mussten zudem katholisch, unbescholten und verheiratet sein sowie über Besitz und einen Ledereimer für den Brandschutz verfügen." Als Bürger Berkas waren sie dann für alle Ämter wählbar, durften Grundbesitz erwerben und wurden in die begehrten Zünfte aufgenommen.

Schmunzeln mussten die Besucher beim Stöbern in der "Rheinischen Sonntags Zeitung" von Eduard Küpper. Weil der Rheinberger Verleger über ausgezeichnete Kontakte zum Militär verfügte, versorgte er die Bevölkerung mit Nachrichten aus aller Welt. Einen gesonderten Lokalteil hielt er nicht für nötig und so befindet sich in der Ausgabe vom 17. Januar 1864 zwischen Berichten aus New York und Berlin die Meldung: "Gestern versuchten frevelhafte Diebe durch die Dunkelheit begünstigt in die 15 Minuten von der Stadt entfernte Anna-Kapelle einzubrechen."

Nicht alle Dokumente befinden sich in einem derart guten Zustand wie die Zeitungen und das hat zwei Gründe, erzählt Sabine Sweetsir dem ungläubig staunenden Publikum: "Archivare haben zwei Feinde. Zum einen der Tintenfraß, bei dem zu eisenhaltige Tinte das Papier frisst und zum anderen die Papierfische. Das sind kleine Tiere, die in Büchern und Akten leben und sie mit ihren Ausscheidungen zerstören." Wer Interesse an der Rheinberger Geschichte hat, muss nicht bis zum nächsten Tag der offenen Tür warten. Das Stadtarchiv steht Besuchern dienstags, donnerstags und nach Vereinbarung offen.

(erko)
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