Rheinberg Düstere Zeiten für den Karneval

Rheinberg · Der Tag nach der Absage für den Rosenmontagszug in Orsoy - Das OKK beteuert: "Wir sind nicht fremdenfeindlich." Unter den Flüchtlingen geht die Angst um.

Kamerateams, Interviews und ein bundesweites Medieninteresse: Es gab gestern kein anderes Thema in der Stadt als die Absage des Rosenmontagszuges in Orsoy.

Die Stadt hatte vom Orsoyer Karnevalsverein 1. OKK '99 ein Sicherheitskonzept gefordert und dies nicht in erster Linie, aber auch damit begründet, dass es die Flüchtlingsunterkunft des Landes im alten Marien-Hospital gebe und man in diesem Zusammenhang ein "Gefahrenpotenzial" sehe. Nur drei Wochen für ein Sicherheitskonzept - das schien dem OKK völlig unrealistisch zu sein. Daher zogen die Karnevalisten ihren Antrag zurück.

Es folgte ein bundesweiter Aufschrei der Empörung. Denn erstmals war ein Karnevalszug mit dem Verweis auf die Flüchtlingsproblematik abgesagt worden.

Dem OKK mit Präsident Paul van Holt war gestern nur eines wichtig: "Unser gesamter Verein distanziert sich aufs Schärfste von jeder Form der Fremdenfeindlichkeit. Wir haben nie geäußert, irgendein Problem mit der ZUE und deren Bewohnern zu haben", sagte Paul van Holt der RP. Wenn in Orsoy am Rosenmontag im Festzelt ab 11.11 Uhr eine Karnevalsparty gefeiert werde, seien ausdrücklich auch die Flüchtlinge aus der ZUE mit bald 500 Bewohnern willkommen, unterstrich van Holt.

Dass sich in Rheinberg das Klima von einen Tag auf den anderen verschlechtert hat, erlebte die ehrenamtliche Flüchtlingshelferin Petra Platzek, die selbst in Orsoy lebt. "Die Angst geht um", sagte sie. Köln sei auch bei den Flüchtlingen ein ständig diskutiertes Thema, so die Helferin: "Sie bedauern die Vorfälle zutiefst. Dabei versichern sie immer wieder, dass sie nur eins wollen: Hier bei uns in Frieden und in gutem Kontakt mit den deutschen Nachbarn leben."

Auch Anke Kretz, Caritas-Koordinatorin der Flüchtlingsarbeit in Rheinberg, tut sich schwer, die Gründe für die Absage des Rosenmontagszuges nachzuvollziehen, der sie aus heiterem Himmel getroffen habe. "Auf den Gedanken wäre ich niemals gekommen", sagt sie. Ihr erster Gedanke sei gewesen: "Das kann doch nicht deren Ernst sein."

Natürlich habe sie Verständnis dafür, dass Behörden intensiv über Sicherheit nachdenken. "Gerade nach Köln." Hier vermutet sie eine direkte Folge: "Ohne Köln ist die Absage in Orsoy nicht denkbar." Mit der ZUE selber könne das nichts zu tun haben: "Man darf doch nicht den Eindruck erwecken, als lebten hier nur kleine Monster, die anderen an die Wäsche wollen." Sie hätte im Gegenteil gehofft, dass man die Bewohner der ZUE zum Zug eingeladen hätte, um gemeinsam mit ihnen Karneval zu feiern: "Das wäre schön gewesen."

In den Beratungsstunden erlebe sie seit den Vorfällen auf der Kölner Domplatte eine massive Verunsicherung bei den Flüchtlingen in der Stadt. Die würden davon berichten, inzwischen mit anderen Augen betrachtet zu werden, und hätten nun "große Sorge, dass die Herzlichkeit, die ihnen bisher bei uns begegnet ist, bröckelt."

Auch Landtagsabgeordnete Marie-Luise Fasse (CDU) äußerte sich: "In der derzeit angespannten Situation eine Entscheidung zu treffen, wie es das OKK hat tun müssen, ist nicht leicht. Die Entscheidung müssen wir respektieren. Für die Zukunft heißt das aber auch, zusammen darauf hinzuarbeiten, dass Veranstaltungen wie Karnevalszüge in Orsoy wieder stattfinden - und dabei die Interessen und Bedürfnisse aller Orsoyer respektiert werden. Das bedeutet auch die Integration von Flüchtlingen in die deutsche Karnevalskultur."

Ihr Kollege René Schneider (SPD): "Die Absage des Orsoyer Karnevalszuges ist ein kommunikatives Desaster! Dem örtlichen Verein ist kein Vorwurf zu machen, dass er die richtigen und nötigen Sicherheitskonzepte nicht beibringen und umsetzen kann und deshalb absagen musste.

Die erhöhten Auflagen behördenseits mit den Vorkommnissen von Köln in Zusammenhang zu bringen und damit 500 Menschen in der ZUE unter Generalverdacht zu stellen, ist beschämend und falsch. Sicher spielt es eine Rolle, dass durch die Einrichtung 500 zusätzliche Zuschauer an der Strecke stehen könnten. Sie stellen aber nicht mehr und nicht weniger ein Risiko dar als 500 hiesige Besucher. Das genau so zu formulieren, wäre Aufgabe der Stadt gewesen."

(RP)
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