Interview mit Frank Tatzel Der Bürgermeister zur Lage in Rheinberg

Rheinberg · Morgen ist der Neujahrsempfang der Stadt Rheinberg. Bürgermeister Frank Tatzel wirkt vor seiner dritten Rede entschlossener und will unangenehme Themen ansprechen. Ein Info-Abend am Annaberg ist geplant.

Interview mit Frank Tatzel: Der Bürgermeister zur Lage in Rheinberg
Foto: Armin Fischer (Archiv)

Der Neujahrsempfang der Stadt Rheinberg führt viele der Menschen zusammen, die das Leben in der Stadt bestimmen: Menschen aus Politik, aus Vereinen, aus Kultur und Sport, aus Kirche und Unternehmerschaft ebenso wie Polizei, Feuerwehr, Rotes Kreuz oder andere Organisationen und Einrichtungen. Dem Stadtoberhaupt bietet der Neujahrsempfang - morgen in der Stadthalle - die Möglichkeit, in einer Rede zurück und nach vorn zu schauen. Die RP hat mit Bürgermeister Frank Tatzel über die Verfassung der Stadt gesprochen.

Herr Tatzel, mit welchem Gefühl gehen Sie in den Neujahrsempfang?

Frank Tatzel Mit einem sehr guten. Dieses Gefühl stellte sich schon ein, als ich meine Rede geschrieben habe. Ich freue mich auf den Empfang und auf meine Rede und habe mir vorgenommen, diesmal auch schwierigere Themen anzusprechen.

Was ist Ihr Generalthema für 2018?

Tatzel Ich möchte die Informationspolitik verbessern. Da müssen wir als Stadt mehr tun. Wir fangen schon am 31. Januar an, mit einer Info-Veranstaltung für die Europaschüler, die einfach wissen möchten, wie die Erweiterung des Schulzentrums abläuft. Für sehr wichtig halte ich eine bessere Vernetzung der Kulturschaffenden. Da planen wir zunächst ein Vorgespräch, nach Karneval dann einen "Kultur-Treff" , der gerne auch ein fester Termin werden kann. Zum Stadtumbau gibt es ohnehin vorgeschriebene Informationsveranstaltungen. Und dann ist da noch das Thema Annaberg.

Gutes Stichwort. Am Annaberg gibt es viel Verärgerung: über die Kanalsanierung, die Kostenbeteiligung, über Lärm und darüber, dass die Stadt nichts von sich hören lässt.

Tatzel Genau das möchte ich ändern. Vor Karneval gibt es zunächst einen Info-Abend, bei dem über den Fortgang der Kanalsanierung berichtet wird. Ende April ist dann "Verwaltung vor Ort" geplant. Da werden wir uns als Verwaltungsspitze generell zum Thema Annaberg zur Verfügung stellen.

Haben Sie zu lange gezögert, bis Sie die Entscheidung gefällt haben, aktiv zu werden?

Tatzel Das will ich so nicht sagen. Ich habe das Thema vielleicht unterschätzt. Erst als ich in Ihrer Zeitung den Bericht über Hans-Jürgen Dion gelesen habe, der seine Gedanken über das veränderte Leben am Annaberg geschildert hat, ist mir klar geworden, dass wir etwas tun müssen. Ich bin ja selbst dort zum Kindergarten und zur Grundschule gegangen.

In der Innenstadt muss auch etwas getan werden. Zum Jahreswechsel haben wieder Geschäfte geschlossen, und weitere kommen noch hinzu. Die Menschen haben die Befürchtung, dass die Innenstadt ausstirbt. Und immer wieder hört man: Schaut mal nach Kamp-Lintfort! Warum läuft es da gut und bei uns nicht?

Tatzel Ein Problem sind die überwiegend kleinteiligen Ladenlokale. Und das Kaufverhalten hat sich zugunsten der Online-Händler geändert. Eine Chance haben fast nur noch Fachgeschäfte. Die Stadt kann die Rahmenbedingungen schaffen, und das tun wir ja durch die Innenstadtsanierung. Wenn der Prozess abgeschlossen ist, sind die Voraussetzungen schon mal etwas besser.

Es gibt eine städtische Wirtschaftsförderung.

Tatzel Und die sollten wir nicht aufgeben und den Kopf in den Sand stecken! Die Stadt kann z.B. ein Baustellenmanagement anbieten, das ist ja auch schon gemacht worden.

Apropos Stadtumbau: Gefällt Ihnen der neue Marktplatz?

Tatzel Ja. Ich freue mich, dass wir mit der Sparkasse einen Sponsor für das Fontänenfeld gefunden haben. Die Sparkasse beteiligt sich übrigens auch an den Kosten für ein Sonnensegel am Kinderbecken im Underberg-Freibad.

Sie sprechen das Thema Geld an: Wie steht es um die Finanzen? Der Verwaltung ist der Vorwurf gemacht worden, dass die Haushaltsansätze und das tatsächliche Defizit weit auseinanderklaffen.

Tatzel Als der 2018er Haushalt eingebracht wurde, war ein Defizit von 7,5 Millionen Euro prognostiziert. Wir dürfen auf ein Minus von schlechtestenfalls 5,3 Millionen Euro kommen. Momentan liegen wir bei 4,5 Millionen Euro. Die Zahlen schwanken, ja. Dabei darf man nicht vergessen, dass die Kreisumlage rund eine Million Euro geringer ausfällt und dass wir eine Gewerbesteuernachzahlung bekommen haben. Und man muss bedenken, dass der Haushalt in Rheinberg sehr früh eingebracht wird, was ich für absolut richtig halte. Aber dann verändern sich eben die Werte, das Risiko geht man dadurch ein. Gut ist, dass unsere Controllerin Anne Igelbrink den Prozess intensiv begleitet.

Wie sieht es mit dem Bäderkonzept aus?

Tatzel Das entwickelt sich gut. Der Auftrag an den Fachreferenten Rainer Kusch lautet: Im nächsten Sportausschuss sollen verschiedene Varianten vorgestellt werden, wie es mit den Bädern weitergehen kann. Ich finde, der Prozess läuft gut.

Das Amplonius-Gymnasium hat kurz vor Weihnachten bekannt gegeben, dass die Schule von G8 zu G9 zurückkehrt. Was sagen Sie dazu?

Tatzel Ich finde das gut. Da kann ich als Vater sprechen. Meine Tochter hat das Abitur nach acht Jahren gemacht und hatte keine Probleme, mein Sohn macht nun G9 am Berufskolleg in Wesel. In beiden Fällen habe ich gesehen, dass die elfte Jahrgangsstufe ihre Berechtigung hat. Die Entscheidung bedeutet für Rheinberg natürlich, dass das Gymnasium bald mehr Schüler und damit ein Raumproblem bekommt. Mein Vorschlag: Wir prüfen ganz unverbindlich, ob die VHS und die Bücherei in die ehemalige Montessori-Schule an der Kurfürstensstraße umziehen können und das Gymnasium das Konvikt nutzen kann.

Wie beurteilen Sie das Klima zwischen Verwaltung und Politik?

Tatzel Das ist auf jeden Fall angespannt. Daran müssen wir etwas ändern, das muss wieder besser werden. Was das Klima in der Verwaltungsspitze angeht, so kann ich sagen: Es ist wirklich gut! Und auch mein persönliches Verhältnis zu den Fraktionen ist deutlich besser geworden. Das freut mich, denn es ist wichtig, im Gespräch zu bleiben.

Sie waren lange Zeit sehr zögerlich mit Ihren Entscheidungen als Bürgermeister, haben den beiden Beigeordneten oft den Vortritt gelassen und sich zurückgehalten. Dieses Bild wirkte in der Öffentlichkeit irritierend. In letzter Zeit machen Sie einen souveräneren Eindruck, Sie melden sich häufiger zu Wort, sind entschlossener. Was hat sich geändert?

Tatzel Ich habe inzwischen deutlich mehr Sicherheit gewonnen, bin in vielen Dingen viel besser im Thema, kenne die Zusammenhänge und Kollegen besser. Es dauert eben alles seine Zeit, bis man sich eingearbeitet hat.

UWE PLIEN FÜHRTE DAS INTERVIEW

(RP)
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