Alpen Das Doppel weiß, wie das Krähendorf tickt

Alpen · Dr. Michael van Beek hat zu Beginn des Jahres die Nachfolge des verstorbenen Charly Schweden als Ortsvorsteher von Veen angetreten. Aloys van Husen unterstützt ihn.

 Zwei, die dasselbe Ziel verfolgen: Der Arzt Dr. Michael van Beek (links) und der Landwirt Aloys van Husen wollen gemeinsam das Beste für ihr Dorf Veen erreichen. Das heißt für sie: "Wir möchten das Niveau halten."

Zwei, die dasselbe Ziel verfolgen: Der Arzt Dr. Michael van Beek (links) und der Landwirt Aloys van Husen wollen gemeinsam das Beste für ihr Dorf Veen erreichen. Das heißt für sie: "Wir möchten das Niveau halten."

Foto: Armin Fischer

Als Charly Schweden im Oktober starb, hatte "ein unglaublich großes Herz" aufgehört zu schlagen. Ein gutes Dutzend Jahre lang hatte der leidenschaftliche Pädagoge sein geliebtes Dorf Veen mit seinen rund 1800 Einwohnern als Ortsvorsteher angeführt. In der Sitzung vor Weihnachten hat der Rat Dr. Michael van Beek (46) zu seinem Nachfolger ernannt - er ist einer, der schon als Kind mit seinem väterlichen Freund Charly ins Sommerferienlager gefahren ist und ihn nun auf dem Posten beerbt hat. An dieser exponierten Position versucht er, die Lücke zu füllen, die Schweden hinterlassen hat. Auch als Präsident der Borussia hat der 46-Jährige Verantwortung übernommen - auch, wenn van Beeks Sympathien Schalke 04 gelten und er nicht wie Karl-Wilhelm Schweden die Raute im Herzen trägt.

Der habe im Übrigen nie mit Michael van Beek über seine Nachfolge gesprochen. Auch nicht, als er schon von der schweren Krankheit gezeichnet gewesen sei. Die CDU hatte nach Schwedens Tod als stärkste politische Kraft im Dorf das Vorschlagsrecht für die Nachfolge. Die Wahl fiel auf ihren Ratsherrn Michael van Beek. Keine Frage.

Der Mediziner, der in Xanten als Chirurg und Orthopäde praktiziert, weiß, dass er kein leichtes Amt übernommen hat. "Die Fußstapfen, die Charly hinterlassen hat, sind riesig", sagt er voller Respekt. Aber als Bürde empfinde er seine ehrenamtliche Aufgabe nicht, offizielle Stimme des Dorfes zu sein - er ist hier aufgewachsen. "Es ist eine Ehre, wenn einem das Amt angetragen wird", sagt van Beek. Er empfinde Ehrfurcht, versuche, das Beste für Veen herauszuholen. Dabei werde er auf keinen Fall seinen Vorgänger kopieren: "Ich bin nicht Charly und muss meinen Weg finden." Und er ist nicht allein unterwegs. Aloys van Husen, Landwirt und Brudermeister der St.-Nikolaus-Schützenbruderschaft von 1581, hat sich mit ihm auf den Weg gemacht - auch wenn's einen Vize für den Ortvorsteher offiziell gar nicht gibt. Aber Veener sind bekannt dafür und selbstbewusst genug, Regeln ganz praktikabel in ihrem Sinne auszulegen.

Dass der Arzt und der zehn Jahre ältere Bauer es im Doppel angehen, passt zum Credo van Beeks: "In der Gemeinschaft kann man eine Menge erreichen." Die Lektion lerne man schon bei den sommerlichen Freizeiten. Das setze sich dann in den Veener Vereinen fort, wo Gemeinschaft nicht nur ein Wort sei, sondern gelebt werde. Motto: "Man kennt sich, man hilft sich." Michael van Beek ist in Veen "sozialisiert", sagt er im ironischen Soziologensprech: "Dabei habe ich eine schwere Kindheit gehabt" - meint, er sei im Kölner Raum geboren und erst im Alter von vier Jahren ins Krähendorf gekommen. Dem ist er nun mit Haut und Haaren verbunden.

Er hat für die Borussia die Fußballschuhe geschnürt, lange als Verteidiger "in der Reserve" gekickt und ist heute Interimspräsident. Auch als er beruflich zehn Jahre in Aachen gelebt hat, habe er Kontakt zur Heimat gehalten, habe weiter in Veen "gefußballt und gekegelt".

Sein Sommerurlaub gehört Jahr für Jahr den Veener Ferienkindern. In diesem Sommer fahren 92 Kinder mit auf Tour. Klar doch: Karneval und Kirmes hat der Doc nie Sprechzeit: "Dann wird gefeiert." Die Termine sind fix. Jedes Jahr.

Wie jeder junge Mann aus Veen ist Michael van Beek mit 16 Jahren ein Schützenbruder geworden. Nur den Vogel hat er bis heute noch nicht abgeschossen. Einmal König von Veen zu sein, wäre ein Ziel. Er sagt wie der Kaiser: "Mal sehen." Seine Frau Verena, deren Mädchennamen er angenommen hat, ist eine "Urveenerin". Mit ihr bewohnt er im Outback ein großes altes Haus, das die beiden gekauft haben und das idyllischer kaum liegen könnte. 2008 sind sie eingezogen. "Kirmessonntag haben wir das erste Mal hier geschlafen", erinnert er sich.

Es ist ein kleines Paradies. Vor der Haustür schwingt sich ein blütenweißer Fischreiher auf in die Veener Landluft, aus dem Küchenfenster hat man einen freien Blick auf eine von Bäumen gesäumte riesige Wiese, auf der Rehe äsen. Ein Blick wie auf einen Großbildschirm. "Manche Rehe sind so zutraulich, dass sie die Rosen auf der Terrasse anknabbern", erzählt der Hausherr.

Der betätigt sich in seiner freien Zeit als "Hobby-Landwirt", ist Herr über ein paar Hühner, Gänse und Katzen. Und er füttert im Wechsel mit einem Freund zwei Kühe und ihre Kälber - Pinzgauer und Limousin - fleischige Kolosse für den Eigenbedarf. "Ein schöner Ausgleich zum Beruf", sagt der Arzt, während er mit der Gabel Heu in den Trog füllt. Auch mit dem Hobby liegt der 46-Jährige im Dorftrend. "Wir haben eine bärenstarke Landjugend", sagt sein Partner im Ortsvorsteher-amt van Husen. Da sind alle jungen Leute organisiert, auch wenn sie gar keine Landwirte sind. Hier werde jeder Teil der Gemeinschaft und Veen zum genetischen Programm.

Was das Dorf so einzigartig macht? "Das ist Heimat, so etwas wie eine große Familie, etwas, was man eigentlich gar nicht richtig in Worte fassen kann", findet der Ortsvorsteher. Was von dem erwartet wird, hat van Beek mal gegoogelt. "Vertreter des Ortes bei Verwaltung und Politik." Das klinge theoretisch. Er übersetzt: "Man sollte wissen, wie das Dorf tickt, um das Beste zu erreichen." Auf den Weg dahin hat er die ersten 100 Tage schon ein gutes Stück hinter sich gelassen.

Was die Aufgabe in Zukunft ist, werde sich zeigen. Es gilt eine wertkonservative Marschrichtung: "Das Niveau halten." Was gut laufe, müsse keiner ändern. Der Brudermeister nickt. Man werde weiter nicht zuerst nach dem Rathaus rufen, sondern selbst anpacken. Das, was Veen nach dieser Devise auf die Beine gestellt habe, könne sich sehen lassen. "Darauf können wir stolz sein", sagt der Kartoffelbauer. Da will der Arzt nicht widersprechen.

(RP)
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