Alpen Alpen: Die Steffens von der Tankstelle

Alpen · Der Familienbetrieb feiert 50-jähriges Bestehen. Erinnerungen an die Zeit, als ein Liter Benzin noch für 50 Pfennig zu bekommen war.

 Freuen sich über 50 Jahre Erfolg im Geschäft (v.l.): Sabrina, Hans-Josef und Brigitte Steffens sowie Teilhaber Jürgen Buschfeld, Chef in der Werkstatt.

Freuen sich über 50 Jahre Erfolg im Geschäft (v.l.): Sabrina, Hans-Josef und Brigitte Steffens sowie Teilhaber Jürgen Buschfeld, Chef in der Werkstatt.

Foto: Armin Fischer

Die Benzinkrise hat Hans-Josef Steffens (71) bestens überstanden. Sein Geschäft mit dem Treibstoff für Automobile läuft auch nach einem halben Jahrhundert wie geschmiert. Das Ende des Wachstumskurses für seinen Betrieb ist noch nicht erreicht. Dabei hat alles mal ganz klein begonnen am Ost-Tor des Dorfes Alpen. Am Anfang war eine Anzeige: "Pächter gesucht."

 Die Tankstelle als Pferdeparkplatz bei Hochzeit des Dressurreiters Jörg Zahn mit Heide Haesler.

Die Tankstelle als Pferdeparkplatz bei Hochzeit des Dressurreiters Jörg Zahn mit Heide Haesler.

Foto: Steffen

Die stand Silvester 1966 in der Zeitung und ging dem jungen Mann, der bei VW Minrath in Kamp-Linfort Schlosser gelernt hatte sowie inzwischen in der Industrie Webstühle wartete und reparierte, nicht aus dem Kopf. "Ich wollte Geld verdienen", sagt der heute 71-Jährige, "und mich selbstständig machen." Noch am Neujahrsmorgen bewarb er sich bei Total. Der Mineralölkonzern hatte an der Burgstraße eine Tankstelle gebaut - auf der anderen Seite des Grundstückes, auf dem heute Netto liegt - und suchte nun einen Betreiber.

 Am Rosenmontag im Jahr 1968 hieß es für alle Mitarbeiter: Schnee schippen, damit die Zapfsäulen frei zugänglich sind.

Am Rosenmontag im Jahr 1968 hieß es für alle Mitarbeiter: Schnee schippen, damit die Zapfsäulen frei zugänglich sind.

Foto: Steffen

Der junge Mann aus Menzelen erkannte seine Chance - und nutzte sie. 30 Tage nachdem er seine Bewerbung losgeschickt hatte, stand Hans-Josef Steffens in seiner Werkstatt - "die war mein Ding" - und wartete auf Kunden, die bei ihm auftanken wollten. Die Lage war vielversprechend. Damals führte die B 58 noch mitten durch Alpen.

 Mutter Elisabeth Steffens, hier im Eingang zum Verkaufsraum der Total-Tankstelle an der Burgstraße, half noch lange mit.

Mutter Elisabeth Steffens, hier im Eingang zum Verkaufsraum der Total-Tankstelle an der Burgstraße, half noch lange mit.

Foto: Steffen

Trotzdem war's gar nicht so einfach. Denn die Konkurrenz war bereits da. Am Tor nach Westen lag eine Shell-Station. Die gehörte ausgerechnet dem damaligen Bürgermeister Roghmanns, erzählt der Firmengründer. Und an der Rathausstraße, da wo heute eine Imbissbude zur Stärkung lädt, stoppten Autos an der DEA-Zapfsäule des Hauses Artz.

Doch Setffens ließ sich nicht Bange machen, auch wenn er "bei Null anfangen" und sein Sparbuch mit 3500 D-Mark plündern musste, um seine Werkstatt auszurüsten. "Dabei konnte man damals mit Zange, 14er-Schlüssel und Schraubenzieher fast alles im Auto reparieren konnte", so Steffens. Bei dem Gedanken fällt ihm ein, dass er im Winter, der damals noch ein richtiger Winter war, Autoreifen mit Spikes rutschfest gemacht hat, bis jemand irgendwann festgestellt habe, dass das der Asphalt nicht so gut verträgt.

Die Preise hat der Unternehmer im Kopf. Mitte der 60er Jahre habe ein Liter Diesel 44 Pfennig, ein Liter Benzin 50 Pfennig gekostet. Sein Geschäft sei langsam angelaufen, habe dann aber gehörig Fahrt aufgenommen. Und die ist nach einigen Boxenstopps noch nicht zu Ende. Doch dazu später. In den ersten Wochen habe er sich an die Bundesstraße gestellt und jedem Autofahrer freundlich zugenickt. "Ich sehe noch die Gesichter. Erst sind alle, ohne zu gucken, weitergefahren, dann haben sie am nächsten Tag schon mal zur Seite geschaut, und am dritten Tag haben sie den Blinker gesetzt und sind an die Zapfsäule gefahren", erinnert sich der 71-Jährige. "Ein schönes Gefühl." Und die Erkenntnis: Freundlichkeit zahlt sich aus.

Schnell habe die Tankstelle ihr Soll erreicht, 30 bis 40 Autos mit einem Tagesumsatz von bis zu 1500 Litern. "Das war schon sehr gut." Doch ohne Fleiß kein Preis. 100 Stunden habe er damals in der Woche gemacht. "Ich war ja noch Junggeselle. Da ging das." Täglich von 7 bis 21 Uhr, Überstunden nicht ausgeschlossen, eher die Regel. 364 Tage im Jahr, nur der erste Weihnachtstag war frei. "Samstags wurden Autos gewaschen."

Mitte der 70er Jahre wurde umgestellt: Vom Tankwart auf Selbsttanken (SB). Das gab Luft für die Werkstatt. Der Betrieb brummte. 1988 stieg der junge Kfz-Meister Heinz-Jürgen Buschfeld als Partner ins Geschäft ein. Die Partner entwickelten sich schnell zum erfolgreichen Doppel und zogen 1997 ein Stückchen weiter an die Weseler Straße 98, wo einen moderne Tankstation mit Waschanlage, Shop und Imbiss entstanden war. Die Ära Total war zu Ende, SB-Tanken an der Freien Tankstelle bescherte Rekordumsätze und beachtliche Gewinnmargen. "Zu Hochzeiten flossen monatlich bis zu 300.000 Liter durch die Zapfhähne" verrät der Geschäftsmann Steffen, der seine Preise selbst an den Turm schreiben kann und nach eigenen Angaben nicht ferngesteuert wird.

Heute beschäftigt Steffen, der immer noch täglich im Betrieb von morgens bis abends seinen Mann steht, 22 Leute, davon zehn in der Werkstatt und im Reifencenter, das 2009 an der Drüpter Straße entstanden ist.

Im Familienbetrieb hilft auch Ehefrau Brigitte. Kundenwünsche wie "Für 20 Euro" erfüllt sie ausnahmsweise, aber bei "Ölstand prüfen" muss sie passen. Längst ist Tochter Sabrina (34) ins elterliche Geschäft eingestiegen und weiß genau, wann man am besten günstig einkauft und die Tanks voll macht. Wie Fritz Rösen (75), der seit einem Vierteljahrhundert Kasse macht, können sie viel erzählen. "Es gibt nichts, was es nicht gibt an einer Tankstelle." Wie die Familie, die mit vollgepackten Wagen in den Skiurlaub aufbrechen will und statt Benzin Diesel tankt. Oder Fahrer - "meistens Frauen", die fünf Mal um die Zapfsäulen kurven und immer noch nicht so an der Säule stehen, dass sich der Tankdeckel auf der richtigen Seite befindet. "Oder beim Bezahlen auf dem Beleg Liter und Preis verwechseln", so Sabrina. "Das kommt so oft vor."

Unter den unzähligen Kunden ist dem 71-Jährigen Steffens einer in Erinnerung geblieben. Wolfgang Kleff, legendärer Keeper bei Borussia Mönchengladbach, habe bei ihm häufig getankt, als er mal in Alpen gewohnt habe. Was für ein Auto der prominente Fußball-Profi gesteuert hat, hat der Tankwart aber vergessen.

Hans-Josef Steffens hat auch mit 71 Jahren noch Pläne. Er möchte mit der Tankstelle und Waschstraße "in absehbarer Zeit" auf das Gelände des Reifencenters umziehen - ein vielversprechender Standort an der Bundesstraße. Der Rat hat schon vor Monaten die planerischen Grundlagen geschaffen. Auf einen genauen Zeitpunkt will sich Steffens nicht festlegen.

Unterdessen wächst bereits die dritte Generation heran. Enkelin Mia (5) geht regelmäßig mit in die Tankstelle und grüßt jeden Kunden, auch wenn nicht jeder reagiert. Das Erfolgsgen ist ihr in die Wiege gelegt. Freundlichkeit zahlt sich eben aus.

(RP)
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