Kasteel von Alpen Eine Grabstätte der Geschichte erwacht

Alpen · Nachdem Kahlschlag auf der Motte sind Archäologen derzeit dabei, das Bodendenkmal genau zu untersuchen. Ihr Befund wird die Grundlage für ehrgeizige Pläne, den geschichtsträchtigen Ort, erlebbar zu machen.

 So sieht derzeitig der Plan aus, den Burghügel zum attraktiven Park am Dorfrand zu entwickeln.

So sieht derzeitig der Plan aus, den Burghügel zum attraktiven Park am Dorfrand zu entwickeln.

Foto: bp

Die stolze Geschichte des Ortes liegt unter einem acht Meter hohen Hügel begraben. Kasteel nennen ihn die Alpener voller Respekt. Auf der Anhöhe, umgeben von einem Graben, hat dereinst - die erste urkundliche Erwähnung weist das Jahr 1329 aus - die Burg der "Herren von Alpen" gethront, ehe das mächtige Dürener Erdbeben 1756 das stolze Gemäuer schwer erschütterte.

Napoleon ließ später die Reste Stein für Stein abtragen, um damit die Chaussee nach Büderich zu pflastern. So landete der ursprüngliche Dreh- und Angelpunkt Alpens im Wortsinne auf dem Schrotthaufen der Geschichte. Doch Teile liegen verborgen unter weichem, moosbewachsenem Erdreich. Diesen Schatz will man im Rathaus heben. Der geschichtsträchtige Ort soll erlebbar werden - ein ehrgeiziges Projekt als ein Baustein des umfassenden Stadtumbaus.

Die Motte, wie der Hügel am östlichen Dorf-Ausgang auch genannt wird, hat sein Aussehen in den zurückliegenden Wochen radikal verändert. Anstoß hierfür war das kraftvolle Sturmtief Friederike, das den Baumbestand, der sich in den zurückliegenden Jahrzehnten des Hügels bemächtigt hatte, gehörig ins Wanken gebracht hat.

 Erkundungsgang auf geschichtsträchtigem Grund (v.l.): Stadtplaner Martin Lyhme, Archäologe Dirk Herdemerten, Ortshistoriker Dieter Schauenberg, Archäologin Melanie Eigen und Alpens Denkmalschützer Volker Schlicht.

Erkundungsgang auf geschichtsträchtigem Grund (v.l.): Stadtplaner Martin Lyhme, Archäologe Dirk Herdemerten, Ortshistoriker Dieter Schauenberg, Archäologin Melanie Eigen und Alpens Denkmalschützer Volker Schlicht.

Foto: Armin Fischer

Um Gefahr für die Bevölkerung abzuwehren, mussten rund 50 Bäume der Kettensäge überstellt werden. Ein Blick in die vom Pilzbefall ausgehöhlten Stümpfe der Stämme - Robinien und Eschen - macht auch Laien unmissverständlich klar: Es gab keine Alternative zum Kahlschlag - nur ein Dutzend Solisten blieb stehen auf der lichten Erhebung. Nachpflanzung scheidet aus auf dem Bodendenkmal WES 26.

Dennoch. Beim auch der vegetationskargen Winterzeit geschuldeten Bild des Jammers soll's nicht bleiben. Stadtplaner Martin Lyhme hat einen Plan entworfen, den vergessenen Ort zum attraktiven Park für die Bevölkerung zu entwickeln. Dazu muss aber zunächst erfasst werden, was vorhanden ist und welche Möglichkeiten der Denkmalschutz lässt. Mit der professionellen Bestandsaufnahme ist das Kölner Büro Minerva X - Institut für historische Kulturlandschafts- und Bodendenkmalpflege beauftragt worden. Dirk Herdemerten und seine Kollegin Melanie Eigen haben bereits im Baugebiet Alpen-Ost die Spuren der Cungerer, die ersten Alpener Siedler überhaupt, ausgebuddelt.

 Ein Blick in den Stumpf zeigt: Dieser Baum war nicht mehr zu retten. Ein Pilz ist Schuld.

Ein Blick in den Stumpf zeigt: Dieser Baum war nicht mehr zu retten. Ein Pilz ist Schuld.

Foto: bp

Nun nähern sie sich einer Keimzelle der Reformation, die von hier aus unter der calvinistischen Fürstin Amalia von Neuenahr, die 1590 die Regentschaft über Alpen erhielt, in der Region ihre Kreise zog. Die 1602 in der evangelischen Kirche beigesetzte, bis heute geschätzte Kurfürstin geriet zwar in den Sog der Gegenreformation, blieb aber der Reformation fest zugewandt. Der neue Burgherr, Graf Arnold von Bentheim-Steinfurt, baute die reformierte Gemeinde weiter aus.

Im späten 18. Jahrhundert wurde die Burg als Amts- und Wohnsitz aufgegeben. Im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) diente sie anfangs noch als Lazarett. Nach der endgültigen Zerstörung durch Napoleon verschwand sie ganz von der Bildfläche. Die denkwürdige Geschichte der Motte aber war da noch nicht zu Ende. Ende des Zweiten Weltkrieges trieben Bergeleute einen stollenartigen Bunker in den Hügel hinein, der Alpener Frauen und Kindern während der nächtlichen Bombardements Ende des Zweiten Weltkrieges Schutz bot und so vermutlich vielen das Leben gerettet hat.

Mauerreste der Alten Burg finden sich an mehreren Stellen an der Erdoberfläche und etwas versteckt unter Baumwurzeln. Der Bunker untergräbt die Standfestigkeit des geschichtsträchtigen Hügels, die Holzstreben des Bunkers zeigen 73 Jahre nach Kriegsende Wirkung, drohen nachzugeben. Der Stolleneingang zum Dorf hin ist vor drei Jahren nach einem Tagesbruch verschüttet worden. Ein Betonsturz im Boden auf der anderen Seite des Hügels zeigt Kennern, wo der Ausgang des Stollens war. Wahrscheinlich jedenfalls.

Die Experten von Minerva X werden nun mit modernsten wissenschaftlichen Methoden den weitgehend unzugänglichen Bestand in Umfang und Güte ermitteln. Ihre unverzichtbaren Befunde werden Rückschlüsse darauf zulassen, was in Abstimmung mit den Denkmalbehörden hier überhaupt entwickelt werden kann. Der Grundriss der Burg soll sichtbar werden, wenn nicht real, so doch zumindest digital über QR-Code auf dem Smartphone, der Burggraben nach Möglichkeit wieder Wasser führen.

Plötzlich bückt sich Stadtplaner Lyhme. Er poolt einen vergilbten Alpen-Anstecker mit Wappen aus dem regenschweren Boden. Ein Relikt der Feierlichkeiten zum 900. Geburtstag Alpens. Der war vor 44 Jahren. Die Motte ist eine Fundgrube.

(bp)
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