Sportgeschichten (101) Wenn Sportler Dreifachschichten fahren

Neuss · Praktikum, Klausuren und Rudertraining: Für Olympiahoffnung Alexandra Höffgen gehört die Dreifachbelastung zu ihrem Alltag dazu.

Neuss Wie sie ihre Freizeit verbringt, darüber musste sich Alexandra Höffgen in den vergangenen zwei Monaten wenig Gedanken machen. Aus einem einfachen Grund: Sie hatte keine. Denn die 23-Jährige steckt mitten in ihrem Langzeitpraktikum, dass die Maschinenbaustudentin mit Unterstützung der Sportstiftung NRW bei der Westnetz GmbH absolviert.

Und das nicht etwa nur am Schreibtisch: "Ich habe das komplette Alltagsgeschäft kennengelernt", sagt die Kleinenbroicherin, die seit fünf Jahren für den Neusser Ruderverein im Boot sitzt und als Olympiahoffnung für die Sommerspiele 2020 in Tokio gilt. Bei Wind und Wetter war sie draußen: "Ich habe die Kollegen bei Störfällen und Wartungsarbeiten und auf Baustellen begleitet", erzählt die 23-Jährige. Selbst einen Freileitungsmast ist sie mit Steigeisen hochgeklettert, "um mal zu sehen, unter welch schwierigen Bedingungen man in der Höhe an einem Holzmast arbeiten muss." Etwas einfacher war es da in der Ausbildungswerkstatt, "da durfte ich zwei Kabel mit einer Verbindungsmuffe wieder verbinden, was die Kollegen draußen täglich machen müssen."

Für die Maschinenbaustudentin besonders lehrreich war der "Ausflug" in den Braunkohletagebau Garzweiler. Vor allem deshalb, weil sie dort gleichfalls nicht nur als "Zuschauerin" unterwegs war. "Die Instandhaltung der großen Bagger und Bandanlagen des Tagebaus ist äußerst komplex und super spannend. Die ganzen Getriebe und Antriebsmotoren in einer gigantischen Dimension sind für mich als Maschinenbauerin ein wahres Paradies", sagt Höffgen. Und den Traum (fast) jeden Kindes erfüllte ihr Tagebau-Betreiber RWE Power auch: Mit der Lokomotive durch den Tagebau zu fahren und "eine Schicht lang Kohlewagen vom Abbau bis zu den Kohlebunkern zu transportieren."

Als "Kontrastprogramm" drehte sich dafür in den vergangenen zwei Wochen alles um die Themen Digitalisierung und Elektromobilität. "Dadurch konnte ich einen guten Einblick über alle Themen rund um die Energieversorgung gewinnen, bekomme in jeder Abteilung viel zu sehen und werde mit eingebunden", sagt Alexandra Höffgen, so dass ihr Zwischenfazit - drei Wochen stehen noch aus - wenig verwundert: "Insgesamt macht mir das Praktikum super viel Spaß."

Dumm nur, dass genau in dieser Zeit auch noch Klausuren an der Universität Dortmund zu schreiben waren. Und sie das Training gleichfalls nicht vernachlässigen wollte, schließlich beginnt an diesem Wochenende mit den Landesmeisterschaften auf dem Elfrather See bei Krefeld die Herbstsaison für die Ruderer. Alexandra Höffgen wird dabei im Doppelzweier der Frauen (zusammen mit Vera Spanke) und im Doppelvierer ohne Steuermann (zusammen mit Vera Spanke, Alina und Miriam Stammen) an den Start gehen.

Eine Woche später, wenn auf dem Salzgittersee die 104. Deutschen Meisterschaften ausgetragen werden, sitzt sie wieder in ihrem Lieblingsboot - dem Achter. Keine Selbstverständlichkeit, schließlich musste Alexandra Höffgen im Frühsommer die Saison wegen eines Bandscheibenvorfalls abbrechen. Jetzt ist sie "völlig schmerzfrei" und kann "wieder ganz normal trainieren", ihr Krafttraining hat die 23-Jährige sogar intensiviert. "Meine Fitness ist völlig okay, aber die Ruderkilometer fehlen mir natürlich", sagt Höffgen nach ihrer Zwangspause. Trotz allem hat sie das erste Rennen bereits hinter sich gebracht, und das erfolgreich: Im polnischen Bydgoszcz setzte sich der Achter des Deutschen Ruderverbandes gegen neun Konkurrenzboote durch. "Ich habe mich super gefreut, nach so langer Zwangspause endlich wieder eine Regatta mitfahren zu dürfen", sagt Alexandra Höffgen - auch wenn die "Zwangspause" ihr viele neue Eindrücke verschaffte.

(NGZ)
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