Lokalsport TVK ist im Lokalduell der gefühlte Sieger

Rhein-Kreis · Handball-Drittligist Neusser HV bleibt auch nach dem Trainerwechsel spielerisch vieles schuldig und holt den Punkt nur über Kampf.

 Die Neusser Bank inklusive Neu-Trainer Jens Sieberger (vorne, 2.v.r.) schaut entsetzt, der zahlenmäßig stattliche Anhang des TV Korschenbroich jubelt: Soeben hat Mathias Deppisch in der Schlusssekunde des Drittliga-Lokalduells den Ausgleichstreffer zum 27:27-Endstand erzielt.

Die Neusser Bank inklusive Neu-Trainer Jens Sieberger (vorne, 2.v.r.) schaut entsetzt, der zahlenmäßig stattliche Anhang des TV Korschenbroich jubelt: Soeben hat Mathias Deppisch in der Schlusssekunde des Drittliga-Lokalduells den Ausgleichstreffer zum 27:27-Endstand erzielt.

Foto: Michael Jäger

Mathias Deppisch und ein "Bauerntrick" von Ronny Rogawska haben den Neusser HV vier Tage nach dem Wechsel auf der Trainerbank noch tiefer in die Krise gestürzt: Mit seinem Treffer in der Schlusssekunde sorgte der Rechtsaußen des TV Korschenbroich nicht nur für den 27:27-Endstand im Lokalduell der Dritten Handball-Liga West am Freitagabend, sondern auch für das dritte sieglose Spiel in Serie der als Aufstiegsanwärter in die Saison gestarteten Neusser.

Es war der erste Punktverlust des NHV vor heimischem Publikum, von dem gut die Hälfte mit den Gästen sympathisierte. Und er bescherte Neu-Trainer Jens Sieberger zwei wichtige Erkenntnisse. Die erste, positive, gab er selbst nach dem Schlusspfiff zu Protokoll: "Auf diese Einstellung können wir aufbauen." Schließlich gelang es seinen Schützlingen, einen zwischenzeitlichen Fünf-Tore-Rückstand (14:19, 44.) wettzumachen. Wobei sie freilich auch davon profitierten, dass die Korschenbroicher nach der umstrittenen dritten Zeitstrafe für Markus Neukirchen (32.) und der Fußverletzung ihres Ersatz-Halbrechten Gerrit Stassen zwei Minuten später außer dem angeschlagenen Nikolai Zidorn keinen Auswechselspieler mehr auf der Bank sitzen hatten.

"Hätte nur einer von beiden weiterspielen können, wären wir nicht so in Schwierigkeiten geraten", stellte TVK-Trainer Ronny Rogawska fest. So aber häuften sich bei den anfangs fast fehlerlosen Gästen die Ballverluste, auch, weil die Unparteiischen Tobias Marx und Falko Pühler, in der Handballszene als "Heimschiedsrichter" verschrieen, beinahe jeden Korschenbroicher Angriff mit dem Heben des Arms zum Zeichen des "Zeitspiels" begleiteten und so die Gäste vielfach zu verfrühtem und deshalb unkontrolliertem Abschluss zwangen.

Die zweite Erkenntnis dürfte die für Jens Sieberger schwerwiegendere sein: Vor ihm liegt ein hartes Stück Arbeit, bis er aus einer Ansammlung von Individualisten und Egoisten so etwas wie ein harmonierendes Ensemble oder einfach nur ein "Team" geformt hat. Die spielerischen Akzente, die man nur dann setzen kann, wenn es im Mannschaftsgefüge stimmt, setzte an diesem Abend eindeutig der TV Korschenbroich. "Bei uns springt jeder für den anderen in die Bresche, wenn es sein muss", sagt der mit seinem Kreuzbandriss zum Zuschauen verurteilte Henrik Schiffmann über das "Erfolgsgeheimnis" des als Außenseiter in das Spiel und in die Saison gegangenen TVK, bei dem Justin Müller und Michel Mantsch in der Schaltzentrale 40 Minuten lang für Spielzüge zum Zungeschnalzen sorgten.

Dem hatten die Neusser über weite Strecken nichts Adäquates entgegen zu setzen, außer ihrer größeren Physis, der größeren Routine und dem sicher vorhandenen individuellen Können einzelner Spieler, das nur viel zu selten aufblitzte. Bezeichnend, dass das Signal zur Wende von zwei der insgesamt drei "Überlebenden" aus der alten Aufstiegsmannschaft ausging: Philip Schneider, einfach beweglicher als der vor der Pause viel zu statische Neusser Innenblock, zwang die Korschenbroicher Angreifer immer wieder zu Fehlern. Und Viktor Fütterer legte Justin Müller per kurzer Deckung wirkungsvoll an die Kette - wirkungsvoll vor allem deshalb, weil Rogawska die personellen Möglichkeiten fehlten, darauf taktisch zu reagieren. "Das war clever von Jens", lobte der Däne seinen Kollegen, mit dem er seit gemeinsamen Zeiten bei der HSG Düsseldorf befreundet ist. Bezeichnend auch, dass an der Aufholjagd der Gastgeber kaum einer der "hochkarätigen" Neuzugänge beteiligt war: Elf der 13 Tore in der Schlussviertelstunde gingen auf das Konto von Viktor Fütterer (4), Markus Breuer (3), Felix Handschke und Christopher Klasmann (je 2), die allesamt mindestens in der zweiten Saison das NHV-Trikot tragen.

Zum dritten Saisonsieg - der, darin waren sich die meisten Beteiligten einig, auch nicht verdient gewesen wäre - reichte es trotzdem nicht. Zwar trifft der ansonsten wie ein Schatten früherer Tage übers Parkett laufende Christopher Klasmann sechs Sekunden vor Schluss zum vermeintlich entscheidenden 27:26. Den schnellen Anwurf der Gäste unterbindet Felix Handschke regelwidrig, was ihm die Rote Karte einbringt. Für die verbleibenden drei Sekunden greift Ronny Rogawska ganz tief in die taktische Trickkiste: Vier Korschenbroicher schwärmen auf die linke Angriffsseite aus, wohin ihnen die Neusser Abwehr folgt. Doch Michel Mantsch passt den Ball nach rechts - wo Mathias Deppisch schneller ist als alle anderen, zum 27:27 trifft und den NHV noch tiefer in die Krise wirft.

(NGZ)
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