Lokalsport NRV-Legende Kurt Sitterle wird heute 80

Weckhoven · Mit 13 Jahren fuhr der Neusser zum ersten Mal aufs Podest, das fortan für mehr als ein Jahrzehnt sein zweites Zuhause wurde. Radsport im Rhein-Kreis ist ohne ihn nicht denkbar. Er gehört zum lebenden Inventar der "Tour de Neuss".

 Startschuss zur "Tour de Neuss" 2015: Kurt Sitterle (r.) mit Tour-Teufel Didi Senft und dem ehemaligen Bürgermeister Herbert Napp (v.l.).

Startschuss zur "Tour de Neuss" 2015: Kurt Sitterle (r.) mit Tour-Teufel Didi Senft und dem ehemaligen Bürgermeister Herbert Napp (v.l.).

Foto: Andreas Woitschützke

Ein Leben mit und für den Radsport. 1949 bestieg ein 13 Jahre alter Nüsser Jung' von der Klara-Fey-Straße sein Tourenrad - eins ohne Schutzbleche, aber auch noch ohne Gangschaltung -, um sein erstes Rennen zu bestreiten: die Vereinsmeisterschaft des Neusser Radfahrervereins von 1888/09. Es ging damals rund um den Marienhof. Und Kurt Sitterle trat so mächtig in die Pedale, dass er auf Anhieb Zweiter wurde. Kaum zu glauben, dass der kleine Kerl mit den Kniestrümpfen und den viel zu kleinen Schuhen, deren Kappen kurzerhand entfernt worden waren, "um die Zehen zu belüften", seit heute 80 ist.

Die Liste seiner Erfolge ist lang: Von 1950 bis '54 siegte er als Jugendlicher in 40 Rennen, war zudem sechs Mal Bezirksmeister in Straßen-, Bahn- und Querfeldeinwettkämpfen, holte sich 1953 in Bocholt den Titel des Landesmeisters. Auch in der Amateurklasse A war er national wie international schwer auf Zack, spurtete auf Bahn und Straße satte 35 Mal zum Sieg. Gemeinsam mit Willi Franssen, den Hünerbein-Brüdern Franz und Hubert sowie Hako Maier machte er die Stadt Neuss in den 1950er Jahren bundesweit zu einem Markenzeichen für erstklassigen Radsport. Er fuhr gegen Sportlegenden wie Rudi Altig, Hennes Junkermann und Rolf Wolfshol, "doch unter profimäßigen Bedingungen habe ich nie trainiert", erinnert sich das Geburtstagskind.

Anfangs ging es sogar per Drahtesel zu den Rennen - manchmal bis nach Euskirchen, Bonn oder Bocholt. Und abends wieder zurück. "Deshalb war es schon ein großer Fortschritt, als mich mein Bruder Herbert später mit seinem ersten Auto mitnahm." Ach ja, die gute alte BWM-Isetta 250, Baujahr 1955. "Zugelassen war sie für zwei Personen, wir fuhren mit fünf. Wie das ging, weiß ich heute nicht mehr", erinnert sich Kurt Sitterle schmunzelnd.

Dass das Rollermobil der Bayerischen Motorenwerke heute immer noch vergnügt herumfährt, ist ein Wunder für sich. Bei einer Ausfahrt mit seiner damals neuen Liebe Edith - die beiden feierten im vergangenen Jahr ihre Goldene Hochzeit (!) - kam der schneidige "Conn" nämlich auf den Schienen der regennassen Düsseldorfer Straße zunächst ins Schleudern und kippte dann um. "Die hintere Plastikscheibe sprang dabei raus und der Wagenheber schlug mir ins Kreuz." Um das verliebte Paar kümmerten sich besorgte Passanten, um die ramponierte Isetta Bruder Herbert.

Viel Geld zu machen war im Radsport übrigens (noch) nicht. "Bei Rennen auf der Bahn im Stadion gab's als Prämie eine Schlachtplatte in unserer Vereinskneipe Nobber", erzählt Kurt Sitterle. "Ansonsten gab's auf der Bahn zehn bis 50 Mark, auf der Straße auch schon mal 100 bis 200 Mark." Sich gegen den Profisport und für eine berufliche Karriere zu entscheiden, fiel ihm daher nicht allzu schwer. 1960 war Schluss. Bei der International Harvester Company (später bis zur Schließung Case) im Neusser Hafen, wo er bereits 1951 eine Lehre als Modellbauer begonnen hatte, arbeitete er sich nach oben, war dort nach seinem Maschinenbaustudium in leitender Stellung in der Entwicklungsabteilung tätig. Parallel dazu bestimmte er die Geschicke des NRV, dessen Geschäfte er fast drei Jahrzehnte führte, maßgeblich mit. Mehr noch: Der Träger der goldenen Ehrennadel des NRV und des Stadtsportverbandes Neuss diente dem Stadtsportverband als Volkssportwart und Sportwart, gehörte dem Jugendwohlfahrtsausschuss an, meldete sich als sachkundiger Bürger im Sportausschuss zu Wort. Als Fachwart für Radsport leitete der stolze Vater - Tochter Britta lebt mit Mann Thomas sowie den beiden Kindern Lara und David in Korschenbroich, Sohn Karsten mit seiner Frau Julia und Töchterchen Frida in Köln-Nippes - fast 40 Jahre die Abnahme fürs Sportabzeichen. Er war Mitveranstalter des Klassikers Neuss-Aachen-Neuss und des Rennens "Rund um die Drususallee", gehört bei der "Tour der Neuss" des NRV längst zum Inventar. 1974 begründete der passionierte Zitherspieler gemeinsam mit Hubert Schäfer, Eberhard Henke und Josef Stahl die sportliche Städtepartnerschaft zwischen Neuss und Chalons. Gefeiert wird am Samstag im Restaurant "Rittergut Birkhof".

(NGZ)
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