Lokalsport Hockey-Bundesligisten haben Erfahrung verloren

Neuss · Markus Weise schlug nach dem 1:6-Debakel im Endspiel der Europameisterschaften gegen die Niederlande Alarm: In dieser Verfassung, sagte der Herren-Bundestrainer des Deutschen Hockey-Bundes, sei der Olympiasieger von 2012 nicht einmal ein Medaillenkandidat für die kommenden Spiele in Rio.

 Christopher Zeller fehlt Köln in der Hinrunde wegen Verletzung.

Christopher Zeller fehlt Köln in der Hinrunde wegen Verletzung.

Foto: Quednau

Schaut man auf die morgen beginnende Saison in der Feldhockey-Bundesliga, weiß man auch, warum. Das Reservoir an erstklassigen Hockeyspielern ist offensichtlich knapper geworden in Deutschland. Erfahrene Kräfte haben ihre Laufbahn beendet oder suchen ihr Glück im benachbarten Ausland - die niederländische Hoofdklasse steht ganz oben auf der Liste der Ziele.

Die Folge: "Wir haben schon einen Umbruch zu verkraften, müssen erstmal schauen, wie die Umstellungen klappen", sagt André Henning. Der Trainer des Titelverteidigers Rot-Weiss Köln, heute um 14 Uhr zum Auftaktmatch zu Gast beim HTC Schwarz-Weiß Neuss im Jahnstadion, ist beileibe nicht der einzige. "Wir haben die spannende Situation, dass junge Spieler die Chance bekommen können, Bundesliga-Erfahrung zu sammeln", sagt Joachim Mahn, Trainer beim einstigen Renommierverein Club an der Alster, der in den vergangenen Jahren einen wahren Aderlass hinnehmen musste.

Allenthalben herrscht Unsicherheit: "Im Moment sind wir gut aufgestellt für die Saison, dennoch wissen wir natürlich noch nicht genau, wo wir stehen", sagt Christoph Bechmann, der beim Harvestehuder THC gleichfalls einen starken personellen Umbruch zu verkraften hatte. Und nicht alle Klubs können auf ein so gutes Reservoir an eigenen Nachwuchsspielern zurückgreifen wie Uhlenhorst Mülheim, wo Trainerin Tina Bachmann hofft, die Abgänge von vier erfahrenen Stammspielern durch "Eigengewächse" auffangen zu können. Die meisten Klubs tun hingegen das, was in anderen Ballsportarten längst gang und gäbe ist: Sie bedienen sich im Ausland. Harvestehude lotste gleich drei englische B-Nationalspieler, einen Waliser und einen Neuseeländer an die Barmbeker Straße. Den Neussern sollen drei Niederländer, zwei Pakistani, zwei Malayen und nach Möglichkeit auch noch zwei Australier zum Klassenerhalt verhelfen. In Krefeld verdingen sich ein Pole und ein Ire, beim Mannheimer HC sind es ein Pole, ein Engländer, ein Südafrikaner und zwei US-Boys.

Und das in einer Zeit, in der Sportarten wie Handball aufgrund fehlender Erfolge der Nationalmannschaft über eine Quotenregelung für ausländische Spieler nachdenken. Doch noch ist Deutschland die erfolgreichste Hockeynation der Welt, als welche sich die Handballer nach dem WM-Titel von 2007 freilich auch wähnten . . .

Was fehlt, sind Anreize für den Nachwuchs, sich dem Hockey als Leistungssport zu verschreiben. "Im Hockey ist selbst die Bundesliga weitestgehend Amateursport, mit dem man kein Geld verdienen kann. Da geht der Job einfach vor", sagt Hendrik Gay, Sportlicher Leiter bei BW Berlin. Daran hat auch die Eingleisigkeit der Liga nichts geändert, im Gegenteil: Die Gegenden, in denen Hockey auf hohem Niveau gespielt wird (Hamburg, Mannheim, Berlin, Rhein-Ruhr) werden immer weniger. In Rio könnte es das böse Erwachen geben.

(NGZ)
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