Ngz-Sportler Des Monats Juni Benedikt Wagner Europameister reist als Fan nach Rio

Neuss · Die sportliche Qualifikation für die Olympischen Spiele hat Benedikt Wagner um Haaresbreite verpasst. Jetzt reist der frisch gekürte Europameister im Säbelfechten als Zuschauer nach Rio de Janeiro, um dort seine Disziplinkollegen zu unterstützen.

Dormagen Es gibt Sportler, die sich ihre Fahrkarte nach Rio einklagen wollen. Benedikt Wagner gehört nicht dazu. Der 26-Jährige hat sich einfach ein Flugticket nach Brasilien gekauft, nachdem er im Frühjahr die sportliche Qualifikation zu den Olympischen Spielen um Haaresbreite verpasst hatte.

"Na klar will ich jetzt als Fan dabei sein", sagt der Rommerskirchener mit Blick auf die heute in 20 Tagen beginnenden Spiele. Der frisch gekürte Europameister auf der Tribüne, während seine Disziplinkollegen um Medaillen kämpfen - so etwas dürfte Seltenheitswert besitzen.

Im Lager der deutschen Säbelfechter ist das Alltag. Drei Wochen nach seinem Titelgewinn bei den Europameisterschaften im polnischen Torun, der ihm die Wahl zum "NGZ-Sportler des Monats Juni" einbrachte, stellt sich Benedikt Wagner seinen für Rio qualifizierten Teamkollegen Max Hartung und Matyas Szabo (alle TSV Bayer Dormagen), die sich gerade mit Bundestrainer Vilmos Szabo in der Sportschule Hennef auf das olympische Turnier vorbereiten, als Sparringspartner zur Verfügung.

Für Benedikt Wagner eine Selbstverständlichkeit. Jetzt, sagt er, gilt es schließlich, das Optimum für das Duo herauszuholen. Dass ihm Matyas Szabo nur um wenige Ranglistenpunkte die Olympiafahrkarte wegschnappte, "dieses Thema", sagt Wagner, hat er "sehr schnell verarbeitet und abgehakt." Schließlich sei allen Beteiligten klar gewesen, dass von den vier ins Rennen gegangenen Dormagenern - außer Hartung, Szabo und Wagner noch Altmeister Nicolas Limbach - zwei am Ende leer ausgehen würden. "Mir war von Anfang an bewusst, dass es nicht klappen könnte", sagt der 26-Jährige.

Deshalb sei der EM-Titel ein "sehr schöner Saisonabschluss". Es ist sein bisher größter Erfolg im Einzel, nachdem er vor sechs Jahren gleich bei seiner ersten EM im Aktivenbereich Bronze gewonnen hatte. Der Titelgewinn in Torun stand dabei auf des Messers Schneide: Im Halbfinale gegen den Russen Kamil Ibragimov lag Benedikt Wagner bereits 8:14 im Hintertreffen - hat einer der Kontrahenten 15 Punkte erreicht, ist das Gefecht zu Ende. "Das war sicher nicht alltäglich", sagt er in aller Bescheidenheit über seine Aufholjagd. Er sei halt in diesem Moment "unglaublich nervenstark" gewesen, "natürlich war auch ein bisschen Glück dabei." Im Finale gegen den Franzosen Vincent Anstett wiederholte er dieses Kunststück, als er aus einem 0:6 und 4:8-Rückstand einen 15:13-Sieg machte. Vielleicht, räumt Wagner ein, seien ihm diese Gefechte gelungen, weil nach der verpassten Olympia-Qualifikation der Druck nicht mehr so hoch gewesen sei: "Letztlich hatte ich nichts zu verlieren", sagt er und sieht darin eine Bestätigung dafür, dass "der Kopf beim Fechten eine ganz, ganz große Rolle spielt."

Den hat er jetzt erst einmal frei für sein Studium. "Journalismus und Unternehmenskommunikation" steht täglich an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) in Köln auf seinem Stundenplan. In zwei Jahren will er seinen Abschluss machen, deshalb tritt der Sport bis dahin ein wenig in den Hintergrund. Ein Grund, warum er Ende des Jahres auch aus der Sportförderkompanie der Bundeswehr ausscheidet.

"Natürlich werde ich in dieser Zeit weiter trainieren, aber nicht mehr ganz so intensiv", sagt Benedikt Wagner. Spitzensport und Studium unter einen Hut zu bekommen, erfordere zwar "viel Organisation und Aufwand", sei aber machbar. Schließlich hat er in dieser Hinsicht erfolgreiche Vorbilder im eigenen Lager. So hatten viele das Ende von Max Hartungs Karriere heraufdämmern sehen, als der nach Rang sieben bei den Olympischen Spielen in London - Wagner wurde dort 16. im Einzel und Fünfter mit dem Team - zwecks Studium nach Friedrichshafen ging. Das Gegenteil war der Fall - Hartung startete als WM-Dritter und Vize-Europameister 2015 erst richtig durch und reist nun als ein Medaillenanwärter nach Rio.

Benedikt Wagner tut dies als Fan. In vier Jahren, wenn das olympische Feuer in Tokio entzündet wird, will er das als Aktiver erleben. "Die Olympischen Spiele 2020 sind mein Fernziel", sagt der 26-Jährige, "vor allem, weil wir dann wieder einen Teamwettbewerb haben." Der steht in Rio turnusgemäß nicht auf dem Programm, weil immer eine Waffengattung aussetzen muss. Dass es diesmal ausgerechnet die Säbelfechter sind, auch dieses Thema hat Benedikt Wagner längst abgehakt - und sich stattdessen Karten fürs Einzelfinale am 10. August besorgt.

(NGZ)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort