Lokalsport Eine charismatische und tragische Figur

Neuss · Vor 25 Jahren starb der in der Tennis-Bundesliga lange für den TC Blau-Weiß Neuss tätige Michael Westphal an Aids.

 Michael Westphal in den 1980er-Jahren mit Teamkollege Andreas Maurer.

Michael Westphal in den 1980er-Jahren mit Teamkollege Andreas Maurer.

Foto: M. Reuter

Am 19. Juni 1991 starb Michael Westphal mit nur 26 Jahren an Aids. Das ist morgen auf den Tag genau ein Vierteljahrhundert her. Und trotzdem, der Tennisprofi, den 1985 das legendäre Halbfinalspiel im Davis-Cup gegen die Tschechoslowakei berühmt gemacht hatte, ist bis heute unvergessen - auf jeden Fall bei den Neussern, für deren Bundesliga-Team er zwischen 1983 und 1988 aufgelaufen war.

"Ich habe Michael in seiner Neusser Zeit als sehr charismatischen Menschen kennen gelernt, der besonders bei der Damenwelt sehr beliebt war", sagt Dietmar Skaliks, bis zur vergangenen Saison Teamchef der blau-weißen Erstliga-Truppe. Als frischgebackene Nummer 1 der deutschen Rangliste hatte ihn der 2014 auf Mallorca verstorbene Mäzen und Macher Elu Hansmann an die Jahnstraße geholt. Eine erfolgreiche Verbindung: Der damals 18 Jahre alte Shooting Star holte mit dem späteren Rekordmeister der Bundesliga sechs Titel in Folge, zum Abschied feierte er 1988 den Triumph im Europapokal. Im kollektiven Gedächtnis der am Tennis interessierten Deutschen ist Michael Westphal jedoch durch den Auftritt im Davis Cup geblieben: Am 4. Oktober 1985 rang er im Halbfinalmatch in der Frankfurter Festhalle als krasser Außenseiter den etablierten Top-20-Spieler Tomas Smid in fünfeinhalb Stunden nieder. Der fünfte und entscheidende Satz ging in die Tennis-Geschichte ein: 17:15 hieß es am Ende. Damit stellte er für kurze Zeit sogar Boris Becker, der drei Monate zuvor das Turnier in Wimbledon gewonnen hatte, in den Schatten. Doch der Durchbruch gelang ihm trotz des Marathonspiels nicht. "So grandios er auch spielen konnte, er nahm sich regelmäßig Pausen, die durchaus auch einige Wochen dauern konnten", erinnert sich Skaliks an "viele nette Stunden bei unserem Lieblingsitaliener. Danach fiel es ihm jedes Mal schwer, wieder in den Wettkampf-Rhythmus zu finden. Er war eben ein junger Mensch, der auch das Leben neben dem Profisport genießen konnte." Seine Aussage, "es gibt noch andere Dinge neben Tennis", gab seinen Kritikern Munition. Vor allem, als bei ihm 1988 die HIV-Infektion festgestellt wurde. Öffentlich machte er die Krankheit, mit der er sich vermutlich schon als 16-Jähriger bei einer drogensüchtigen Freundin infiziert hatte, jedoch nie.

Er galt als trainingsfaul, im Medienboulevard sogar als Versager. "Am meisten schmerzte, dass ich in der Öffentlichkeit ausgezählt wurde wie ein K.o. geschlagener Boxer", bekannte er einmal. 1989 brach die Immunschwäche-Krankheit, gegen die es zu dieser Zeit noch keine wirksame Therapie gab, aus.

Trotzdem hielt seine Freundin Jessica Stockmann, die schon vor der Aids-Diagnose mit dem Profi liiert war, zu ihm, begleitete ihn bis zu seinem Tod. Erst 2001 lüftete sie das Geheimnis um die lange so mysteriöse Krankheit ihres Lebensgefährten und erfüllte damit ihr Versprechen, "zehn Jahre zu schweigen und gegen Aids zu kämpfen." Gemeinsam mit Westphals Freund Michael Stich, den sie 1992 heiratete, gründete sie 1994 die "Michael-Stich-Stiftung", die sich seither für HIV-infizierte Kinder einsetzt.

Anfang Mai drehte der Norddeutsche Rundfunk (NDR) gemeinsam mit den Ex-Neussern Andreas Maurer und Eric Jelen im Klubheim an der Jahnstraße einen 30-minütigen Beitrag über den gefallenen Star.

(NGZ)
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